Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
aus unseren Reihen zu verbannen. Wach auf, Antonio! Warum hältst du weiter an ihm fest?«
    Nando hielt den Atem an, denn er sah das Flackern in Antonios Blick, als der Engel für einen Moment zu ihm herüberschaute. Wie oft hatte Nando selbst sich diese Frage gestellt, wie oft war er kurz davor gewesen, sie an Antonio zu richten, und doch im letzten Augenblick davor zurückgeschreckt, da der Engel ihn auf diese Weise angesehen hatte?
    »Ich halte an Nando fest«, erwiderte Antonio, und ein Licht entfachte sich in der Schwärze seiner Augen, das wie ein Stern flammte, der in die Finsternis stürzt. »Ich halte an ihm fest, weil ich seine Stärke sehe.«
    »Das hast du bei dem letzten Sohn des Teufels auch getan«, erwiderte Salados kalt, doch Antonio schüttelte den Kopf.
    Noch immer sah er Nando an. Schmerz lag in seinem Blick, eine haltlose Verzweiflung und Einsamkeit, doch er wandte sich nicht ab. »Nein«, erwiderte er kaum hörbar. »Das habe ich nicht.«
    Nando spürte das Licht des Sterns auf seinem Gesicht, und für einen Moment lang war er mit Antonio allein. Sie standen auf einem Feld aus Asche, auf grollenden Wellen, umweht vom roten Staub des Mohns, die Blicke in den Sturm gerichtet, der sie umtoste – doch sie rührten sich nicht. Sie standen Seite an Seite, der Engel und der Nephilim, und obwohl sie kein Wort miteinander sprachen, waren sie sich in diesem Augenblick ganz nah. Nando spürte Antonios Dunkelheit um sich herum, fühlte auch das Licht und die Einsamkeit, und er wusste, dass sein Mentor ihm ein Geheimnis verraten hatte, einen Hauch dessen, was seit seinem ersten Gang vor den Senat unausgesprochen zwischen ihnen stand. Niemals hatte Nando ihn auf den ersten Teufelssohn angesprochen, obgleich er sich dieselben Fragen stellte wie Salados, obgleich er nicht verstand, warum gerade Antonio ihm vertraute – ausgerechnet er, der doch allen Grund gehabt hätte, ihn wie die anderen zu verachten und auszuschließen nach allem, was er einst erlebt hatte. Immer wieder, wenn Nando kurz davor gewesen war, diese Fragen auszusprechen, hatte er eindringlich gespürt, dass er mit ihnen eine Grenze überschreiten würde, die nur von einer Seite übertreten werden durfte. Nun hatte Antonio den ersten Schritt getan. Keiner der Anwesenden war sich dessen bewusst – außer Nando.
    Sein Name war Aldros , sagte Antonio in Gedanken, und etwas Sanftes, beinahe Zärtliches schwang in seiner Stimme mit. Keiner hier ahnt etwas von der Stärke, die er in sich trug. Sie sind blind, Nando. Aber sie wissen es nicht besser …
    Nando wollte etwas erwidern, doch da erhob Salados erneut die Stimme. »Wie ich sehe, kommen wir so nicht weiter. Ich ahnte das bereits und habe deswegen einen Nephilim gebeten, hier vor dem Senat zu sprechen – einen Nephilim, der wie ich von Anfang an Probleme mit Nando Baldini hatte und der seine Kräfte am eigenen Leib kennenlernte. Danach könnt ihr entscheiden, ob ihr es hier mit jemandem zu tun habt, für den die Gesetze dieser Stadt gelten – oder mit etwas anderem, das man entfernen sollte, solange man noch die Möglichkeit dazu hat.«
    Nando fuhr zusammen, als er den Nephilim sah, der nun in das angespannte Schweigen des Theaters trat, mit erhobenem Kopf, den Blick reglos auf das Podest gerichtet. Es war ein Mädchen etwa in seinem Alter, ihr pechschwarzes Haar fiel weit auf ihren Rücken hinab und umrahmte ihr schmales, ungewöhnlich bleiches Gesicht. Ihre Schwingen erhoben sich hoheitsvoll hinter ihr, und ihre Augen waren grün wie bei einer Katze.
    Noemi , flüsterte er in Gedanken.
    Nando bemerkte die Anspannung auf Antonios Zügen und die Sicherheit in Salados’ Blick, als sie das Podest betrat. Sie sah Nando nicht an, als sie den Kopf hob und den Blick über die Reihen der Senatoren schweifen ließ. Ruhig tat sie das, als wollte sie sich ihre Gesichter einprägen, und dann nickte sie langsam, als wäre sie gerade in einer Erkenntnis bestätigt worden, die sie vor einer Weile gewonnen hatte.
    »Mein Name ist Noemi Rathvira Skramur«, begann sie mit klarer Stimme. »Ich wurde in dieser Stadt geboren, ich erhalte meine Ausbildung in der Akademie, ich strebe eine Laufbahn zur Offizierin an. Es war mein Bruder, der von den Engeln erschlagen wurde, während er dem Teufelssohn das Leben rettete. Salados bat mich, hier vor euch zu sprechen – als Silas’ Schwester, als Kind dieser Stadt und als Verbündete von euch allen, die meine Trauer und meinen Schmerz begreifen, da sie ihn selbst

Weitere Kostenlose Bücher