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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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der Schatten, und wir unterwerfen uns niemandem außer unserem eigenen Willen!« Sie hielt inne, und für einen winzigen Moment schaute sie Nando an. »Er ist ein Nephilim«, sagte sie leise. »Genau wie ich.«
    Und kaum dass sie diese Worte gesprochen hatte, applaudierte jemand auf dem Sternenplatz. Nando wandte den Blick und sah, dass es Riccardo war, der außer sich die Hände zusammenschlug, und der Beifall setzte sich über Ilja fort und ergriff in rasender Geschwindigkeit den gesamten Platz, ehe er sich über die Türme und Gassen ausbreitete.
    Nur mit Mühe gelang es Drengur, die Ruhe wiederherzustellen und die Abstimmung durchzuführen. Angespannte Stille herrschte, als er die Frage stellte, wer sich gegen die Auslieferung aussprach, und Nando stockte der Atem, als sich eine Hand nach der anderen hob. Salados schaute zu ihm herüber. Der Senator saß noch immer zusammengesunken auf seinem Stuhl, reglos und wie aus Wachs gegossen. Seine Augen flammten in schwarzem Feuer, es schien Nando, als würde er ihm in sein Innerstes fahren, doch er wandte sich nicht ab. Regungslos erwiderte er Salados’ Blick. Und dann, langsam und kaum merklich, nickte dieser und hob die Hand.
    Nando hörte das Ergebnis der Abstimmung wie durch tausend wehende Tücher. Er sah lachende Gesichter auf sich zukommen, sah Morpheus und Drengur unter ihnen und spürte Antonios Hand auf seiner Schulter, während die anderen Senatoren das Theater verließen. Doch sein Blick ruhte auf einer Gestalt, die einsam auf dem Podest zurückgeblieben war.
    Noemi schaute ihn an. Noch immer war ihr Gesicht nichts als eine Maske aus Eis, aber etwas Flüchtiges huschte durch ihre Augen wie in dem Moment, da sie im Speisesaal vor ihm zurückgewichen war. Nando hatte ihn schon einmal gesehen, damals, als sie mit Silas über die Brücke gegangen war, diesen leichten Schimmer, der Noemis Gesicht so sanft machte, und er wusste, dass er diesen Moment niemals vergessen würde. Umdrängt von den Bewohnern Bantoryns standen sie weit voneinander entfernt, sie rührten sich nicht, sie sahen einander nur an. Und Noemi lächelte.

32
    Die Flammen tanzten über Bhroroks Gesicht, als er aus den Schatten ans Feuer trat. Er hörte sie flackern wie unter plötzlich aufkommendem Wind, aber er wusste, dass es die Kälte seines Körpers war, die das Feuer zum Erzittern brachte. Raureif hatte die Wände der Höhle überzogen, er knirschte unter Bhroroks Schritten und ließ das armselige Geschöpf ohne Haut neben ihm unsicher taumeln und schlittern. Bhrorok holte Atem, die Flammen wichen vor ihm zurück, als fürchteten sie, in seine Finsternis gesogen zu werden. Langsam wandte er den Kopf zu seinem Wolf. Ein Blick genügte, und das Tier sprang lautlos hinter das Netzwerk aus weißen Kreidestrichen zurück, das Bhrorok auf den Boden rings um das Feuer gezeichnet hatte.
    Er hatte lange gewartet auf dem Aschemarkt, jenem Ort, der zur Übergabe des Jungen vorgesehen gewesen war. Er hatte dort gestanden, regungslos und den Blick in die Schatten gerichtet, und er war ohne nennenswerte Emotion fortgegangen, nachdem niemand gekommen war. Nur leise pochte der Zorn hinter seiner Stirn, doch er war zu einem so stetigen Begleiter geworden, dass Bhrorok ihn kaum noch wahrnahm. Die Nephilim weigerten sich, den Sohn des Teufels herauszugeben. Sie schlugen das Angebot aus, das Bhroroks Herr ihnen so großzügig unterbreitet hatte, und Bhrorok verstand sie nicht, aber er bemühte sich auch nicht darum. Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Er hatte geahnt, dass die Nephilim sich in Dummheit und Furcht verlieren würden. Sollten sie den Teufelssohn umklammern – lange würde es ihnen nicht mehr gelingen. Bhrorok würde ihn bekommen, bald, sehr bald schon.
    »Herr, ich … «, begann die Kreatur neben ihm, doch Bhrorok stieß so unwillig die Luft aus, dass sie verstummte.
    »Verschwinde!«, grollte er düster. »Verkriech dich hinter der Kreide! Bleib dort, bis das Feuer erloschen ist! Sonst wird es dir übel ergehen.«
    Er sah aus dem Augenwinkel, wie das Wesen demütig den Kopf neigte und an den Rand der Höhle rutschte, wo es sich zusammenkauerte und mit großen Augen zum Feuer herübersah.
    Bhrorok starrte in die Flammen, lauschte auf ihren Klang, ihre Gier und ihre Lockungen. Er schloss die Augen, und da, leise und höhnisch, hörte er ein Lachen aus der Glut, ein Lachen wie ein Schlag ins Gesicht. Der Zorn hinter seiner Stirn nahm zu. Er ballte die Hände zu Fäusten. Langsam trat er drei

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