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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Schritte zurück, bis er inmitten eines schwarzen Kreidekreises stehen blieb. Dort streifte er seinen Mantel von seinem Leib. Die Flammen tanzten über seinen nackten Oberkörper, während er sich auf die Knie sinken ließ und ein Messer aus seinem Stiefel zog. Die Klinge war schwarz, Raureif lief von seinen Fingern über die Waffe. Drei Mal atmete er tief ein und aus. Dann hob er das Messer und begann, verschlungene Zeichen auf seinen Oberkörper zu ritzen. Sein Blut drang aus den Wunden, er wusste, dass es in schwarzen Rinnsalen über seine Brust lief, und er spürte die Fühler und die schuppigen Leiber, die sich von innen gegen die feinen Schnitte drängten. Grollend sprach er seinen Zauber, fühlte die schweren Worte auf seinen Lippen und warf das Messer in die Luft. Blitzschnell stieß er die Fäuste vor, dicht beieinander – und spürte, wie die Klinge ihm die Arme zerschnitt.
    Mit einem Brüllen, das die Flammen aufwühlte, sprang er auf die Beine. Er riss die Augen auf, gleißendes schwarzes Licht brach aus ihnen hervor, und als er die Arme ausstreckte und die letzte Formel des Zaubers rief, schoss sein Blut aus all seinen Wunden auf das Feuer zu. Donnernd schlug es mit den Flammen zusammen. Bhrorok schien es, als würde sein Leib in Brand gesetzt, doch er wandte sich nicht ab. Regungslos und mit nichts als seinem Schrei auf den Lippen starrte er in die Dunkelheit, die sich um ihn herum aufbäumte. Er sah, wie er aus sich selbst herausgerissen wurde, und während sein Körper und ein Bruchteil seines Geistes die Brücke zur Welt der Lebenden aufrechterhielt, stürzte der Rest von ihm sich vor in die Flammen.
    Im ersten Moment fühlte er nichts als die eisige Dunkelheit auf seiner Haut, als hätte er seinen Körper nicht zurückgelassen, als wäre er noch immer mehr als ein Auswurf an Gier und Finsternis. Er spürte festen Grund unter seinen Füßen und stellte fest, dass sein Leib durchscheinend war wie grauer Nebel, ohne dass sich jedoch das Geringste an seinen Empfindungen geändert hätte. Säulen aus Stein ragten vor ihm auf, die sich im Nirgendwo verloren. Ein schwarzer Himmel ohne Sterne thronte über ihnen, und darunter klaffte ein Abgrund von solcher Tiefe, dass Bhrorok schwankte bei einem Blick hinein. Orlus, der Sturz der Schatten, wurde er genannt, dieser Abgrund vollendeter Finsternis, der jeden Dämon nach seinem Ableben in sich aufnahm und ihn schweben ließ ihn ewiger Ruhe und Dunkelheit. Tanzende Nebel bewegten sich durch die Finsternis wie schwarze Schleier, manche weit entfernt, andere näher, und manchmal zuckte etwas in ihnen auf, etwas wie eine Fratze oder ein Schrei, nur um gleich darauf wieder zu erlöschen. Bhrorok hörte Irmlon, den Sturmwind der Ewigen Hallen, und er spürte die nächtlichen Schleier des Orlus auf seiner Haut, die ihn forttrugen und die Unruhe, die ihn zeit seines Lebens innerlich zerfraß, mit schattenhaften Klauen erstickten. Im letzten Moment riss er sich selbst vor dem Abgrund zurück. Er sog die Luft ein, die mit tausend winzigen Ascheleibern in seine Lunge drang.
    »Harkramar!«, brüllte er, dass die Schwärze des Abgrunds sich vor ihm aufbäumte wie ein wehendes Tuch. »Ich rufe dich aus der Schar jener, die gefallen sind! Harkramar, der Vielgesichtige, Harkramar, einst Thron ersten Ranges, Harkramar, der Sucher! Den Gorgonen entsprungen, genährt vom Gift der Schlangen, bist du es, den ich zu mir befehle – du, der du selbst keinen Lebenssaft in dir trägst! Gefallen im Kampf mit Alvys, der Harpyie von Konstantinopel, nun schwebend und frei in den Hallen des Ewigen Sturms. Harkramar, ich stieg hinab nach Razkanthur, um dir zu befehlen! Antworte mir!«
    Ein Raunen ging durch die Finsternis des Abgrunds, Bhrorok meinte Schatten auseinandergleiten zu sehen, und gleich darauf brach ein gewaltiger Sturm los. Schlingen aus Nacht peitschten über den Felsen, auf dem Bhrorok stand, Böen aus Dunkelheit brachten ihn zu Fall und hinterließen tiefe Kratzer in seinem Fleisch. Unter zusammengekniffenen Augen sah er, wie sich in der Mitte des Abgrunds ein Wirbel bildete, der sämtliche Schatten an den Rand der Höhle drückte, und dann, mit einem mächtigen Knall, entfachten sich schwarze Feuer auf den steinernen Säulen. Sie glitten darüber hin wie die Körper geisterhafter Schlangen, und dort, inmitten peitschender Dunkelheit, erhob sich eine Gestalt. Sie wurde von mehreren schwarzseidenen Nebeln bedeckt, die wie Tücher im Sturm um sie herumflatterten und die

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