Nephilim
hätte man ihm an dieser Stelle die Haut abgezogen, und darunter lag nichts als rohes Fleisch.
»Bastard«, zischte Harkramar und spuckte seinen Speichel auf den Boden, der sich zischend in den Stein grub.
Bhrorok schüttelte den Kopf. »Du solltest nicht auf diese Art mit deinem Meister sprechen«, stellte er fest, beschwor die Gedanken an die Laute der Throne und deren Licht herauf – und sah zu, wie allein die Erinnerung sich mit stechender Grausamkeit in das Fleisch Harkramars fraß, wo gerade noch die Fesseln gewesen waren.
Harkramar schrie auf, keuchend stützte er sich am Boden ab. »Ist gut!«, rief er und wischte sich den Speichel vom Mund, der an seinem Kinn hinabtroff. »Sag, was du verlangst, ich werde deinem Befehl Folge leisten! Was bleibt mir anderes übrig?«
Bhrorok fixierte ihn mit seinem Blick. »Das Feuer, in dem du kniest, bewahrt einen Duft. Du wirst seinen Träger finden und ihn zu mir bringen. Das ist alles.«
Harkramar nickte düster. »Wie gesagt«, zischte er leise. »Ich werde deinem Befehl gehorchen. Doch vergiss nicht, Bastard der Hölle, dass auch du einst in das Reich Razkanthurs einkehren wirst. Und dort, mein Freund – dort wirst du mir dienen!«
Mit diesen Worten sprang er auf die Beine, sperrte den Mund auf, der sich auf unnatürliche Weise vergrößerte, bis er sein halbes Gesicht einnahm, und sog die Flammen in sich auf, die ihn soeben noch umdrängt hatten. Knisternd ergossen sie sich in seine Lunge, und sein Körper verwandelte sich. Seine Haut zog sich zusammen, Klumpen seines Fleisches schoben sich daraus hervor. Sie zerteilten seinen Leib und bildeten schuppige Fliegen, Wespen und Käfer, die sich wie blutige Fetzen in die Luft erhoben. Mit einem Schrei, der das Feuer erstickte, brach der Körper Harkramars endgültig auseinander, doch noch ehe sein Fleisch den Boden berührte, verwandelte es sich vollständig in knisternde Insektenleiber. Rasselnd fügten sie sich zu einer riesigen Gottesanbeterin zusammen. Harkramar starrte zu Bhrorok herüber. Seine Augen sahen aus wie die Kieferklauen einer Spinne, hinter denen sich die Augäpfel in einem weißen Nest verbargen.
»Nun«, zischte er, doch seine Stimme klang, als würde sie aus tausend Mäulern entweichen. »Entlasse mich, und ich beschaffe dir den, den du suchst!«
Bhrorok wandte den Blick nicht ab. Mit einer Geste seiner linken Hand durchtrennte er die weiße Kreidelinie, die Harkramar in seinem Kreis gefangen hielt. Surrend erhob sich die Gottesanbeterin in die Luft, verwandelte sich in einen knisternden Schwarm – und raste direkt auf den Wolf zu.
Bhrorok stand regungslos, doch plötzlich durchzog ein Brennen seine Brust, und er musste an den Jungen denken, dessen Blick diese Regung erstmals in ihm entfacht hatte. Schmerzhaft pulste sie durch seinen Leib, es war wie eine Erinnerung hinter tausend Tüchern an etwas, das immer stärker aus seiner Finsternis drängte und das er umso entschlossener niederzwang. Er hörte auf zu atmen und wurde erst ruhig und dann kalt. Sein Wolf heulte auf, hilflos schaute er zu seinem Herrn, doch er rührte sich nicht von der Stelle, auch nicht, als Harkramar auf ihn niederstürzte. Knisternd schoss der Schwarm durch den Schlund des Wolfs, zerbrach dessen Kiefer und brachte mehrere Knochen zum Bersten, während der Wolfskörper sich rasend schnell verwandelte. Die Hinterbeine wurden länger, die Vorderläufe knickten ein, das gesamte Wesen richtete sich auf, während die Schnauze sich vorschob und schwarze Zähne aus dem Kiefer brachen. Jaulend warf das Wesen den Kopf in den Nacken, Bhrorok ballte die Fäuste, als er die Stimme seines Wolfs inmitten der schnarrenden Insekten hörte.
Dann wandte Harkramar, der jetzt völlig vom Körper des Wolfs Besitz ergriffen hatte, den Blick. Suchend irrte er durch den Raum, Speichel troff aus seinem Maul, als er die Kreatur ohne Haut entdeckte. Mit angstverzerrtem Gesicht schrie sie auf, doch schon sprang Harkramar in seiner neuen Gestalt auf sie los, packte sie mit den insektenhaften Vorderbeinen und riss sie in der Mitte durch. Gierig verschlang er sein Opfer, dann schaute er aus dem klebrigen Nest seiner Augen zu Bhrorok herüber.
Bhrorok erwiderte seinen Blick. Für einen Moment flammten die Schatten Razkanthurs über Harkramars Gesicht wie ein grausames Versprechen. Dann neigte Bhrorok den Kopf, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Geh«, grollte er düster. »Finde den Teufelssohn, wie ich es dir befahl.«
Harkramar gab ein
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