Nephilim
nachdem er die Prüfung zur höheren Magie bestanden hatte.«
Nando dachte daran, wie Antonio zu ihm ins Mohnfeld gekommen war, dachte auch an den rätselhaften Schatten, der auf den Zügen des Engels gelegen hatte, und ein Frösteln lief über seinen Rücken.
»Aldros reagierte heftig«, fuhr Antonio fort. »Denn obgleich er der stärkste und begabteste Nephilim war, den ich bis zu jenem Zeitpunkt unterrichtet hatte, lag ein dunkler Punkt in ihm, ein Zweifel an sich selbst, den ich nicht verstehen und mit nichts Äußerem zerstreuen konnte. Er war die Hoffnung der Nephilim für mich – und das sagte ich ihm, denn ich war davon überzeugt, dass er der Aufgabe gewachsen war. Schließlich willigte er ein, den Weg zu gehen, den ich ihm genannt hatte. Ich sehe noch heute sein Gesicht vor mir, so still und verzweifelt. Doch ich erkannte ihn nicht … nein, ich verstand ihn nicht. Nur wenige Tage später übernahm der Teufel die Kontrolle.«
Nando hielt den Atem an, als das dunkle Gold in Antonios Augen aufbrach und Flammen daraus hervorloderten. Panische Nephilim liefen durch rote und schwarze Feuer in Bantoryns Gassen, und eine wütende Gestalt jagte ihnen wie von Sinnen nach. Ein Lachen zog über die Dächer, es war das Scherbenlachen Luzifers. Nando erschrak kaum, als ein Schatten sich seinen Weg durch die Flammen brach, und für einen Moment sah er Antonios Gesicht, als dieser vor dem Sohn des Teufels landete. Regungslos standen sie sich gegenüber, fast meinte Nando, die Hitze des Feuers auf seiner Haut fühlen zu können.
»Es war meine Aufgabe, die Tore der Hölle zu bewachen«, fuhr Antonio fort, »und den Teufel dorthin zurückzuschicken, woher er gekommen war. So richtete ich meine Waffe gegen Aldros – gegen ihn, meinen Schüler, dessen Kämpfe ich nicht erahnte, und kaum dass ich es getan hatte, loderten die Feuer der Hölle in ihm auf wie eine Erwiderung auf mein Handeln.«
Nando fuhr zusammen, als sich das freundliche, sanfte Gesicht von Aldros veränderte und er einem anderen Wesen in die Augen sah.
»Es war das Antlitz des Teufels, das ich erblickte«, sagte Antonio kaum hörbar und sprach damit aus, was Nando dachte. »Und Luzifer war es, der sein schallendes Gelächter durch Bantoryns Gassen schickte und die Flammen zu Schreckgestalten verzerrte. Er sah mich an und er brüllte wie ein Drache. Die Hitze der Hölle schlug mir entgegen, sie verbrannte mir die Haut. Mein Säbel glühte in meiner Hand, er glitt zu Boden, und ich wusste, dass der Teufel mich töten würde, um seinen Sohn zu schützen. Mit einem Triumphgebrüll, das schwarze Flammen über die Dächer schickte, stürzte er auf mich zu.«
Nando schien es, als würden die Flammen aus Antonios Augen nach ihm greifen.
Der Engel sog keuchend die Luft ein, die Erinnerung raubte ihm seine letzten Kräfte. Mit rauer Stimme fuhr er fort: »Doch gerade als er die Faust vorstreckte, um mich mit einem Zauber zu erschlagen, bäumte sich etwas gegen seine Macht auf. Licht durchbrach die Schatten in seinem Blick, eine tiefe Finsternis drängte das Gold seiner Augen zurück, und für einen Moment stand ich wieder Aldros gegenüber – Aldros, meinem Novizen, den ich so wenig kannte. Noch heute schwebt sein Bild so deutlich vor mir, dass ich oft meine, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um es berühren zu können.«
Nando erkannte Aldros in Antonios Augen, und er sah, wie der einstige Teufelssohn lächelte. Es war ein Lächeln voller Schmerz und zugleich voller Mitgefühl, als er die Arme sinken ließ. Luzifer bäumte sich in Aldros auf, er versuchte, erneut die Macht über seinen Sohn zu erlangen, und Aldros schwankte, als er ihn zurückdrängte und leise zwei Worte über seine Lippen kamen.
Töte mich , sagte der Teufelssohn, und Nando konnte in seinen Augen den Zweifel lesen, die Furcht davor, Luzifer nicht mehr länger zurückhalten zu können. Es kostete Aldros seine gesamte Kraft, sich für einen Moment zu befreien. Aber der Fürst der Hölle würde seine Fesseln sprengen, und sobald Aldros den Kampf gegen ihn verlor, würde er unnennbares Leid über die Welt bringen. Und doch schien es Nando, als wäre dies nicht der Grund, aus dem Aldros die Arme sinken ließ und seine Bitte aussprach. Der einstige Teufelssohn sah Antonio an, und in diesem Augenblick betrachtete er auch Nando, als würde er ihn sehen inmitten der Mohnblumen, über einen sterbenden Engel gebeugt.
»Er rettete mir das Leben«, flüsterte Antonio, und im selben Moment spürte
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