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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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erreichte, die von Antium nach Astura und Clostra führte, wachte die Schläferin auf.
    Erschreckt blickte sie um sich.
    Es war also nur ein Traum gewesen, was ihr so lieblich und doch so bang und beklemmend vor der Seele geschwebt hatte!
    Nicht auf dem Rasenteppich ihres traulichen Gartens ruhte sie, nicht am Rande des Springquells, nicht an der Seite ihres Ewig-Geliebten, der ihr mit schmeichelnder Stimme die alte Weise vom gefesselten Eros vorsang, sondern die kaum vergessene furchtbare Wirklichkeit hielt nach wie vor erbarmungslos ihr Opfer umklammert.
    Sie hatte geglaubt, jene Bangigkeit sei den traurigen Worten entsprungen, die das Traumbild des Claudius Nero zu ihr geredet: ›Fahr wohl, Acte! Dies ist mein letztes Lied; zerbrich die Kithara!‹
    Jetzt wußte sie, daß der gefürchtete Pallas und sein nächtlicher Ueberfall ihr das reizend-harmonische Trugbild getrübt hatte. – Selbst im Traume ward ihr mißgönnt, was sie liebte!
    Der Himmel im Osten glühte heller und heller.
    Eine lebhafte Brise wehte vom Tyrrhenischen Meere über das weithin grünende Ufer. Saftige Wiesen, von Akanthus durchwuchert, hochaufgeschossene Weizenfelder, die sich hier und da schon zu färben begannen, blitzten im Morgentau. Aus den vereinzelten Hütten und Häusern stieg der bläulich kräuselnde Rauch auf, an dessen Flammen sich die Kolonen den Speltbrei, das angestammte römische Frühmahl, bereiteten.
    Da lag sie – rosig schlummernd, als wäre sie eine harmlose liburnische Jacht – die fürchterliche Bireme . . .! Schlaff und bewegungslos hing die Doppelreihe der Ruderstangen ins blaue Gewässer hinab. Der gewaltige Mastbaum, die Rahen mit den gerefften Segeln, das kreuz und quer verlaufende Takelwerk, das alles machte in dieser Entfernung eher einen duftigen, malerischen, als gewaltigen Eindruck, – und dennoch: Acte erbebte an allen Gliedern.
    Jetzt gewahrte sie auch hinter den schwankenden Schilfhalmen des Gestades den Kahn, der sie an Bord bringen sollte . . .
    Allerbarmender Jesus, gab es denn keine Rettung aus diesem Elend?
    Pallas hatte die erschütternde Wirkung sehr wohl bemerkt, die der Anblick der offenen See und des Doppelruderers auf Acte hervorgebracht.
    Es trieb ihn, diese Stimmung zu einem letzten Versuch auszunützen.
    »Ueberlege dir's nochmals!« sprach er bewegt. »Dort die Bireme geleitet dich ebensogut in die Knechtschaft, wie in die Freiheit . . . Alles, alles will ich vergessen. Meine Einbildungskraft will ich erwürgen, wenn sie mir deinen schmiegsamen Leib in fremder Umarmung vormalt. Jede Silbe aus meinem Munde, die ans Vergangene erinnert, rufe den Zorn der unsterblichen Götter herab! Ich will dich hegen und pflegen als mein Liebstes und Heiligstes. Jene Wunde, die so tief dir im Herzen brennt, wird allmählich vernarben. Du wirst glücklich werden und mir am Ende noch Dank wissen, daß ich nicht abgelassen von meiner Werbung. Hörst du? Warum erwiderst du nichts? Hier sind wir am Ziele . . .«
    Er sprang aus dem Sattel und ließ das junge Mädchen langsam zur Erde gleiten.
    Einer aus der Gefolgschaft gesellte sich zu ihnen. Die übrigen machten mit sämtlichen Rossen kehrt, nachdem sie verschiedene Gepäckstücke, die sie vorn auf den Sätteln getragen, eilig in den harrenden Kahn geschleppt hatten.
    Der sonnverbrannte, sehnige Schiffer mit der phrygischen Mütze stemmte die Ruder ein . . .
    Straff und mit spielender Ueberwindung der schäumenden Wellenkämme ging die Fahrt über die weithin glitzernde Fläche. Fern ab lag Antium, glührot bestrahlt von der steigenden Morgensonne. Südostwärts, beinahe ebensoweit wie Antium, erblickte man das Städtchen Astura. Aus beiden Häfen steuerten schon vereinzelte Fischerboote ins Meer, weiße oder hochgelbe Punkte auf dem flimmernden, tiefgesättigten Blau . . .
    Pallas hatte neben der schweigsamen Acte Platz genommen.
    Die Bireme rückte näher und näher. Deutlich unterschied man bereits den scharlachrot übermalten Adlerkopf an der Kielspitze, den Namen des Schiffes: ›Cygnus‹, und die Gestalten der Rudersklaven, die auf den Doppelbänken gereiht, voll Neugier durch die kreisrunden Luken spähten.
    Jede dieser Gestalten kam der heimlich grausenden Acte wie ein Henkersknecht vor, und starrer immer und krampfhafter blickte sie auf den Gegenstand ihres Entsetzens.
    »Nun?« murmelte Pallas, unter den Falten des Reitermantels ihre Linke berührend.
    Sie fuhr heftig zurück, ohne Antwort zu geben.
    »Acte,« hub er nach einer

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