Nervenflattern
lichterloh brennende Teil an. Es knisterte laut und gab einen Funkenregen.
»Wenn das Ding jetzt auseinanderbricht, haben Sie ein Problem«, prognostizierte Hupfelds Kollege, der jetzt wieder neben Lenz stand und einen überlangen Feuerhaken in der Hand hielt. Der Kommissar sah ihn an.
»Wir kriegen ihn nur raus, wenn …«
Weiter kam der Mitarbeiter des Krematoriums nicht, denn in diesem Moment schoss die Lafette mit dem brennenden Sarg in den Abschiedsraum. Es regnete wieder Funken, die sich um Lenz und die anderen verteilten. Die Hitze in dem Raum wurde immer unerträglicher. Im Normalfall hätte die Lafette jetzt den Sarg auf dem Transportgestell abgesetzt, aber durch die große Geschwindigkeit, mit der Hupfeld den Sarg aus dem Ofen gefahren hatte, war die Lafette noch nicht in der richtigen Höhenposition. Deswegen wurde der Transportwagen zurückgeschoben und knallte gegen die Wand. Die noch immer brennende und rauchende Holzkiste stellte sich beim Aufprall quer und fiel von der Lafette.
»Mist«, brüllte Hupfelds Kollege, raste zurück in den Raum mit den vielen Rohren und kam mit zwei Feuerlöschern zurück.
Einen drückte er Hain in die Hand, bei dem anderen zog er den Sicherungsstift und wollte den Sarg einnebeln.
»Moment«, rief Hupfeld. Er ließ den Schieber des Verbrennungsofens zurückfahren, sodass kein Löschstaub eindringen konnte.
»Jetzt.«
In der Zwischenzeit hatte auch Hain seinen Feuerlöscher einsatzbereit und drückte auf den Sprühhebel. Innerhalb von Sekunden war es im Raum nicht mehr auszuhalten. Die Mischung aus Rauch und Löschpulver nahm Lenz den Atem. Im Hinauslaufen sah er, wie Hupfeld die Löschdecke auf das brennende Teil warf und dann hinter ihm herrannte. Auch Hain und Hupfelds Kollege stellten die geleerten Feuerlöscher ab und rannten aus dem Raum.
Nachdem alle ausgehustet hatten und von hinzugeeilten Mitarbeitern der nahen Friedhofsverwaltung mit Wasser versorgt waren, wandte Hupfeld sich an Lenz und hielt ihm die Hand hin.
»Hupfeld. Ich bin der technische Leiter. Aber die nächsten zwei Wochen mache ich wohl Urlaub, wie es aussieht.« Er nickte in Richtung der Tür, aus der noch immer Rauch quoll.
»Hauptkommissar Paul Lenz«, stellte der Polizist sich vor.
»Jetzt wissen Sie, was mein Kollege Schütz mit der Renovierung gemeint hat. Aber ich vermute, es wird in einer Komplettsanierung enden. Und jetzt sagen Sie mir bitte, worum es hier eigentlich geht.«
»Gleich. Zuerst müssen wir sicher sein, dass der Sarg nicht mehr brennt.«
»Ich bin kein Feuerspezialist, aber meiner Meinung nach ist der Sarg von einer ziemlich dicken Schicht Löschpulver bedeckt. Darauf habe ich noch die Löschdecke gelegt. Natürlich ist er noch heiß, aber brennen oder kokeln wird er nicht mehr. Und wenn doch, dann hätten wir einfach nicht mehr tun können.« Er streifte Handschuhe und Schürze ab.
Lenz war nicht restlos zufrieden, sah aber ein, dass er keine andere Möglichkeit hatte, als abzuwarten.
»In dem Sarg liegt, das hoffe ich zumindest, die Leiche von Dieter Brill aus Wolfhagen. Wir haben den Verdacht, dass er sich nicht, wie wir vermutet haben, selbst getötet hat. Aber um das zu klären, brauchen wir den Leichnam. Deswegen das ganze Theater.«
»Ist das der Typ von der Bergshäuser Brücke?«
»Ja.«
»Dann kann ich Ihnen wenigstens sagen, dass wir den Richtigen aus dem Ofen gezogen haben. Er war der Einzige heute, der in einem Eichensarg eingefahren ist. Wenn er nämlich in einem Fichtensarg gelegen hätte, wäre er nicht mehr rauszuholen gewesen, das können Sie mir glauben.«
»Wieso?«
»Fichte verbrennt viel schneller. Es dauert keine Minute, und der Sarg fällt beim Rausziehen auseinander. Dann geht nichts mehr.«
Hain kam auf die beiden zu. Er blutete aus der Nase und ähnelte einem Schneemann, weil er von oben bis unten mit Löschpulver bedeckt war.
»Was ist passiert?«, fragte Lenz und deutete auf seine Nase.
»Ich bin beim Rauslaufen gegen die Türkante geklatscht, weil ich nichts gesehen hab. Einen Moment lang hab ich gedacht, mir platzt der Schädel, aber jetzt ist es wieder okay. Verstärkung hab ich auch schon angefordert.«
Lenz sah an sich herunter. Seine Jeans hatte einige kleine Brandlöcher, die Schuhe konnte er nicht erkennen, und sein Jackett war reif für die Altkleidersammlung.
Auf dem Platz wimmelte es nun von Menschen, und in der Ferne hörte er die Sirenen von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr. Fünf oder sechs Polizisten waren
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