Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
über dem Kopf. Er sa h aus wie ein Henker. Harry ließ die Taschenlampe fallen.
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»Bist du o.k.?« Liz legte ihre Hand auf seine Schulter. Er hatte vor zu antworten, öffnete den Mund, doch es kam nichts.
»Das ist Ove Klipra, ja«, sagte Løken. Er hatte sich vor den Toten gehockt, eine nackte Birne beleuch tete die Szen erie.
»Seltsam, da habe ich diesen Kerl seit Monaten überwacht.«
Er legte die Hand auf Klipras Stirn.
»Nichts anfassen!«
Harry packte Løken am Kragen und zog ihn hoch.
»Nichts …!«
Er ließ ihn ebenso plötzlich wieder los. »Tut m ir leid, ich …
Aber nichts anfassen. Noch nicht.«
Løken sagte nichts, er starrte ihn bloß an. Liz hatte wieder ihre tiefe Falte zwischen den haarlosen Augenbrauen.
»Harry?«
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Es ist jetzt vorbei, Harry. Es tut mir leid, es tut uns allen leid, aber es ist vorbei.«
Harry schüttelte lediglich den Kopf.
»Gibt es etwas, was du mir erzählen willst, Harry?«
Sie hatte sich über ihn gebeugt und eine große, warme Hand in seinen Nacken gelegt. Wie es seine Mutte r immer getan hatte.
Verdammte Scheiße.
Er stand auf, schob sie zur Se ite und ging nach draußen. L iz und Løken sprachen drinnen leis e miteinander. Er sah z um Himmel, suchte nach einem Stern, konnte aber keinen finden.
Es war beinahe Mitternacht, als Harry klingelte. Hilde Molnes öffnete. Er sah zu Boden, hatte nicht einm al vorher angerufen und hörte an ihrem Atem, dass sie gleich anfangen würde zu weinen.
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Sie setzten sich im Wohnzimmer einander gegenüber. Er konnte keine Ginflasche sehen und sie erschien ihm auch klar genug zu sein. Sie trocknete ih re Tränen. »Sie wollte Turm -
springerin werden, wussten Sie das?«
Er nickte.
»Aber sie w ollten sie an de n üblichen Ausscheidungen nicht teilnehmen lassen. Behaupteten, di e Punktrichter wüssten nicht, wie sie sie einschätzen s ollten. Einige meinten sogar, es sei ein Vorteil, mit einem Arm zu springen, dass das nicht fair sei.«
»Es tut mir leid«, sagte er. Es war das Erste, was er seit seinem Kommen gesagt hatte.
»Sie wusste es nicht«, sagte sie. »Hätte sie es gewusst, hätte sie nicht so m it mir geredet.« Ihr Gesicht verzog sich und die Tränen rannen wie kleine Bäche über die Fältchen an ihrem Mund.
»Wusste was, Frau Molnes?«
»Dass ich krank bin!«, rief sie und legte das Gesicht in die Hände.
»Krank?«
»Warum, glauben Sie, betäube ich mich sonst derart? Mein Körper ist bald von innen aufg efressen, das ist nur noch ein Haufen fauler Materie und toter Zellen.«
Harry sagte nichts.
»Ich wollte es ihr sagen«, flüs terte sie durch die Finger. »Dass die Ärzte mir noch sechs Monate geben. Aber ich wollte ihr das an einem guten Tag sagen.«
Ihre Stimme war jetzt kaum noch zu hören. »Nur dass keine guten Tage mehr kamen.«
Harry stand auf, er konnte einfach nicht sitzen bleiben. Er ging zum großen Gartenf enster, vermied die Fam ilienbilder an der Wand, denn er wusste, we m seine Augen da begegnen würden.
Der Mond spiegelte sich im Pool.
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»Haben sie wieder angerufen? Die Männer, denen Ihr Mann Geld schuldete?«
Sie nahm die Hände w eg. Ihre Augen waren verweint und hässlich.
»Sie haben angerufen, aber Jens war hier und hat m it ihnen gesprochen. Seither habe ich nichts mehr gehört.«
»Dann passt er auf Sie auf, oder?«
Harry fragte sich, warum er ge rade das gefragt hatte. V ielleicht war es ein plumper Vers uch zu trösten, sie daran zu erinnern, dass es in ihrem Leben noch jemanden gab.
Sie nickte stumm.
»Und jetzt wollen Sie heiraten?«
»Haben Sie etwas dagegen?«
Harry drehte sich zu ihr um. »Nein, warum sollte ich das?«
»Runa …« Sie kam nicht weiter und die Tränen begannen wieder über ihre Wangen zu rollen.
»Herr Hole, ich habe in meinem Leben nicht viel Liebe erfahren. Ist es zu viel verlangt, vor dem Tod noch ein paar glückliche Monate zu haben? Konnte sie mir das nicht gönnen?«
Harry sah ein violettes Blüte nblatt im Pool sc hwimmen. Er dachte an die Frachter aus Malaysia.
»Lieben Sie ihn, Frau Molnes?«
In der Stille, die folgte, lauschte er den Trompetenstößen.
»Ihn lieben? Was spielt das für eine Rolle? Es gelingt mir, mir einzubilden, dass ich ihn liebe , ich glaube, ich könnte jeden lieben, der mich liebt, verstehen Sie?«
Harry blickte zum Barschrank. Es waren nur drei Schritte bis dort. Drei Schritte, zwei Eiswürfel und ein Glas. Er schloss die Augen und konnte
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