Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
steigen, als er sich
umdrehte, um zu gehen.
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Brekkes Chef bei Barclay Th ailand hatte eine Glatze und Sorgenfalten im Gesicht. Er hustete und hustete und bat Harry dreimal, seinen Namen zu wiederholen. Harry sah sich im Büro um und stellte fest, dass Brekke nicht gelogen hatte: Es war kleiner als seins.
»Brekke ist einer unserer tüchtigsten Broker«, sagte der Chef .
»Er hat ein gutes Zahlengedächtnis.«
»Ah ja.«
»Gerissenheit, ja, das ist sein Job.«
»O.k.«
»Es heißt, er könne m anchmal brutal sein, aber keiner unserer Klienten hat ihn jemals beschuldigt, unfair gewesen zu sein.«
»Wie ist er als Person?«
»Habe ich Ihnen das nicht gerade gesagt?«
Vom Präsidium aus rief Harry Tore Bø an, den Chef der Valutaabteilung der DnB. Er erwä hnte, dass Brekke ein kurzes Verhältnis mit einer Sekretärin der Abteilung gehabt habe, das dann aber g anz plötzlich beendet g ewesen sei, vermutlich auf ihre Initiative. Er meinte, das könne einer der Gründe dafür sein, warum Brekke kurz darauf gekündigt und die Stelle in Bangkok angenommen habe.
»Natürlich neben der Wech selprämie und dem höheren Gehalt«, hatte er hinzugefügt.
Nach dem Lunch fuhren Harry und Nho mit dem Fahrstuhl ins zweite Obergeschoss hinunter, wo Brekke in einem Aufenthalts-raum festgehalten wurde und darauf wartete, ins Untersuchungs-gefängnis nach Pratunam überführt zu werden.
Brekke trug noch imm er den Anzug, den er bei seiner Festnahme getragen hatte, aber er hatte sein Hemd oben aufgeknöpft und die Ärm el hochgekrempelt, so dass er nicht m ehr wie ein 235
Banker aussah. Seine verschwitzten Haare klebten ihm an der Stirn und er starrte irgendwie verwundert auf seine vor ihm auf dem Tisch liegenden Hände.
»Das ist Herr Nho, ein Kollege von mir«, sagte Harry.
Brekke blickte auf, lächelte tapfer und nickte.
»Ich habe eigentlich nur eine Frage«, sagte Nho. »Haben Sie den Botschafter am Montag, den 3. Januar gegen 17 Uhr i n die Tiefgarage begleitet, wo sein Wagen stand?«
Brekke sah Harry an, dann Nho.
»Ja«, sagte er.
Nho blickte Harry an und nickte.
»Danke«, sagte Harry. »Das war alles.«
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KAPITEL 30
Der Verkehr war nur im Schneckentem po gekrochen, H arry hatte Kopfschmerzen und die K limaanlage pfiff besorgniserre-gend. Nho hatte vor der Schranke von Barclay T hailand gehalten, die Scheibe nach unten gelassen und von einem plattge-sichtigen Thailänder mit einem frisch gebügelten Hem d zu hören bekommen, dass Jim Love nicht in der Arbeit war.
Nho hatte seine Polizeimarke gezeigt und erklärt, dass sie sich gerne eine der Videokassetten ansehen würden, doch der Wachmann schüttelte missbilligend den Kopf und sagte, dass sie dafür den Sicherheitsdienst anrufen müssten. Nho drehte sich zu Harry um und zuckte mit den Schultern.
»Erklär ihm, dass es um Mord geht«, sagte Harry.
»Das habe ich getan.«
»Dann müssen wir es ihm genauer erklären.«
Harry stieg aus dem W agen. Hitze und Feuchtigkeit schlugen ihm ins Gesicht, als würde man den Deckel von einem Topf mit kochendem Wasser nehmen. Er streckte sich, ging langsam um den Wagen herum und fühlte bereits ein aufkeim endes Schwin-delgefühl. Der Wachmann zog die Stirn in Falten, als sich ihm knapp zwei Meter rot gesprenkelter farang näherten und dabei eine Hand auf den Pistolengurt legten.
Harry baute sich vor ihm auf, zeigte die Zähne und packte mit der linken Hand seinen Gürtel. De r Wachmann rief etwas, kam aber nicht m ehr dazu, sich zu wehren, ehe Harry den G
ürtel
herausgezogen und seine rechte Hand hinter den Hosenbund geschoben hatte. Der Wachm ann hob vom Bode n ab, als Ha rry anzog. Die Unterhose ging m it einem reißenden Laut entzw ei.
Nho rief etwas, aber es war zu spät. Harry hielt bereits triumphierend eine weiße Boxershorts am ausgestreckten Arm . Im 237
nächsten Augenblick segelte sie über das W achhäuschen in die Büsche. Dann ging er langsam wieder um das Auto herum und setzte sich.
»Ein alter Trick aus dem Gymnasium«, sagte er Nho, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. »Die weiteren Verhandlungen kannst du jetzt führen. Verflucht, ist das warm …«
Nho sprang aus dem Wagen und nach einer kurzen Besprechung steckte er den Kopf nickend durch die Tür. Harry folgte den beiden in den Kellerraum , wobei der Wachm ann ihm wütende Blicke zuwarf und m isstrauisch darauf achtete, immer einen gewissen Abstand zu ihm zu halten.
Die Mechanik des Videorecord ers summte und
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