Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
die Wände des Laderaumes.
»Ich finde, du hast dir unheimlich viel Mühe gegeben deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wahrscheinlich war dir ziemlich egal, was mit Yonathan und mir geschieht.« Yomis Vorwurf galt Gimbar.
»Sei nicht albern«, sagte der gereizt. »Was hätte ich denn tun sollen? Sagen: ›Ihr habt schon Recht, dass ich ein Verräter bin, aber zeigt doch bitte Verständnis dafür, ihr seid ja selbst welche‹?«
Yomi bemerkte, dass seine Anschuldigung nicht ganz berechtigt war und verlegte sich aufs Heroische. »Ich finde, es gibt auch so etwas wie Ehre.«
»Ehre ist gut und schön, Langer, aber manchmal ist List gesünder.«
»Wollt ihr nicht aufhören euch zu streiten?«, mischte sich Yonathan ein. »Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, wie wir hier wieder hinauskommen.«
Yonathans Einwand klang vernünftig. Die drei waren kaum in ihr Gefängnis hinabgestiegen, da hatten sie schon ihren ersten Besuch erhalten. Kapitän Kirzath erschien und verkündete ihnen mit der Sachlichkeit eines Kaufmannes, der seine Waren aufteilt: »Gimbar und Yomi werden bei nächster Gelegenheit als Galeerensklaven verkauft. Mit dir, Yonathan, haben wir etwas Besonderes vor. Sethur wird sich freuen dich wieder zu sehen.«
Yonathans Versicherung, dass Sethur im Verborgenen Land entweder ertrunken sei oder zwischen Felsbrocken zerrieben worden war, stieß auf taube Ohren. Kirzath schüttelte ungläubig den Kopf, brach in lautes Lachen aus und warf die Klappe über ihren Köpfen zu.
»Ich möchte jedenfalls nicht auf einer Galeere enden«, verkündete Yomi. »Von da ist noch kaum jemand zurückgekehrt. Außerdem liegt mir das Rudern nicht.«
Gimbar massierte seinen Nasenrücken und grinste. »Ich hätte nie gedacht, dass wir beide uns jemals in einer Angelegenheit von Bedeutung einig sein würden.«
»Könnten wir vielleicht irgendwie an Land gelangen?«, fragte Yonathan.
Gimbar sah nicht sehr begeistert aus. »Der Strand liegt mindestens eine Dreiviertelmeile entfernt. Selbst wenn wir alle gute Schwimmer sind, werden uns die Boote oder die Pfeile der Soldaten einholen. Und was die schmale Landzunge betrifft, die die Bucht umfasst: Sie ist zwar näher, aber sie besteht aus schroffen Felsen.«
»Du scheinst dir ja schon einige Gedanken gemacht zu haben«, stellte Yonathan entmutigt fest.
»Wir müssten eben nachts fliehen, wenn keiner es so schnell bemerkt«, schlug Yomi vor.
»Ohne Schiff?«, fragte Yonathan.
»Das wäre nicht das Problem«, murmelte Gimbar.
»Meinst du etwa die Mücke? Die lässt sich doch kaum steuern.«
»Wir könnten bis an den Strand rudern, aber«, Gimbar rieb seine Nase heftiger, »ich glaube, ich hätte da noch eine andere Idee. Wir haben gerade einen günstigen Ostwind. Benith wird ihn ausnutzen wollen, um nach Kartan zurückzusegeln. Dazu muss er die Ruderpinne bald reparieren lassen. Wir müssen uns also nur die Mücke im richtigen Augenblick schnappen.«
»Hast du’s gehört?«, spöttelte Yomi. »Er hat ›nur‹ gesagt. Und was machen wir, wenn wir in der Mücke sitzen? Vor aller Augen davonsegeln?«
»Yomi hat nicht ganz Unrecht«, gab Yonathan zu bedenken. »Wie willst du uns einen sicheren Vorsprung verschaffen? Wir müssten schon wie vom Meer verschluckt sein, wenn wir der Narga entkommen wollen.«
Gimbar rieb sich in Gedanken die Nase. »Genau so etwas hatte ich mir vorgestellt.«
Die Gefangenen erhielten ein annehmbares Abendessen und auch das Frühstück am nächsten Morgen konnte sich sehen lassen: Es gab in der Pfanne gebratenes Gemüse – von einer Art, die Yonathan zuvor noch nie gesehen hatte – und knusprigen Speck dazu. Sogar Yomi vergaß sein Misstrauen und schaufelte das Essen in sich hinein.
Angenehm, aber unerklärlich, war der Umstand, dass man ihnen keine Fesseln anlegte. Einmal mehr wunderte sich Yonathan auch darüber, dass er noch immer seinen Dolch an der Seite trug. Wie Navran gesagt hatte, war die kostbare Klinge bisher noch keinem seiner Kerkermeister aufgefallen. Selbst Yomi, der von der Existenz des Dolches wusste, sprach nie über ihn, so als hätte er ihn völlig vergessen.
Besonders auffällig war jedoch, wie man auf ihn selbst, den Träger Haschevets, reagierte. Als wüssten sie um die tödliche Macht, die dem Stab innewohnte, näherten sich die Wachen Yonathan nie weiter als bis auf vier Schritte und stets war eine Lanze oder ein schussbereiter Bogen parat, um ihn auf Distanz zu halten.
Zu ihrer Freude durften sie mittags
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