Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
draußen eine knarrige Stimme, die an eine altersschwache Holztreppe erinnerte.
»Was soll dieser Unsinn? Wenn mein Sohn wirklich hier ist, dann lasst mich gefälligst zu ihm.«
Geräusche wie von einem Handgemenge drangen herein. Dann stürmte der untersetzte Kapitän der Weltwind in das Arbeitszimmer, mit einem von Baltans Dienern im Schlepptau.
»Ich habe ihn nicht zurückhalten können«, beteuerte dieser und versuchte, seine durcheinander geratene Kleidung in Ordnung zu bringen.
Baltan lächelte. »Schon gut, Deng.«
»Yomi!«, donnerte Kaldek und stürzte auf seinen Adoptivsohn zu.
»Vater!« Yomi sprang auf, um dem Kapitän entgegenzueilen. Am Ende des Besprechungstisches havarierten die beiden Seefahrer und verkeilten sich in inniger Umarmung. Für eine Weile vergaßen sie alles um sich herum; es gab nur noch den bärbeißigen Kapitän und seinen tot geglaubten Ziehsohn. Yomi schluchzte und Kaldeks Stimme bebte, als er schließlich das lange Schweigen brach.
»Ich habe es nicht glauben wollen, als man mir heute Abend die Nachricht brachte. Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren.«
»Yonathan und ich fürchteten ebenfalls, die Weltwind sei mit Mann und Maus untergegangen«, brachte Yomi endlich hervor. »Ich bin unheimlich froh, dass es dir gut geht, Vater!«
»Wie ist es euch beiden nur gelungen zu überleben? Am Ewigen Wehr gibt es doch nichts als Klippen.«
»Ich schlage vor«, mischte sich Baltan vorsichtig in das Zwiegespräch, »wir nehmen jetzt gemeinsam ein Nachtmahl ein und unsere drei Abenteurer erzählen dir alles, was geschehen ist, Kaldek.«
»Drei Abenteurer?«, fragte Kaldek verwundert.
»Wir haben noch Gimbar mitgebracht, einen Piraten vom Südkamm«, erklärte Yomi grinsend.
»Einen ehemaligen Piraten«, betonte Gimbar schnell.
Kaldek ließ von Yomi ab, um den kleinen, falkengesichtigen Mann genauer in Augenschein zu nehmen. Für einen langen Moment herrschte Schweigen. Er schien zu überlegen, woher er den jungen Mann kannte. Dann stahl sich ein breites Grinsen auf das Gesicht des Kapitäns und er sagte: »Wenn dieser Gimbar geholfen hat meinen Sohn heil nach Hause zu bringen, dann kann er meinetwegen sogar ein schleimiger Bolemide sein. Worauf warten wir noch? Setzen wir uns endlich an die Tafel, damit ich eure Geschichte hören kann.«
Und so erzählten die drei Gefährten innerhalb von wenigen Tagen ein zweites Mal ihre abenteuerliche Geschichte. Erst zu weit vorgerückter Stunde trennte man sich wieder. Yomi hatte fest darauf bestanden, weiter an Yonathans Seite zu bleiben, bis dessen Auftrag erfüllt sei, und da Kapitän Kaldek spürte, dass es um Bedeutendes ging, hatte er schließlich zugestimmt.
Man versprach sich gegenseitig, gut aufeinander aufzupassen und in der finstersten Stunde, kurz vor dem Morgengrauen, schlüpfte Kapitän Kaldek aus Baltans Haus. Und Yonathan hoffte, dass seine Verfolger auch einmal schliefen.
Der Thron des Himmels
Am Morgen des vierten Tages im Hause Baltans war Yonathan in nachdenklicher Stimmung. Nach Kaldeks Verabschiedung hatte er kaum geschlafen. Mit ernster Miene verfolgte er die kleinen Aufmerksamkeiten, mit denen Gimbar Schelima bedachte – Kleinigkeiten, aber doch unübersehbare Gesten.
Auch entging ihm nicht, dass die Zurückweisungen Schelimas nicht mehr so schroff waren wie zu Anfang.
Yonathan steckte lustlos ein Stück Käse in den Mund. Gimbar war nicht mehr derselbe. Ohne erkennbaren Grund hatte er scheinbar den Verstand verloren und benahm sich ausgesprochen eigenartig. Das Gleiche bei Schelima. Ihre Ablehnungen schienen nur Mittel und Vorwände, damit das Gespräch mit Gimbar nicht einschliefe.
Und Baltan hatte seltsamerweise einen Narren an Gimbar gefressen. Es störte Yonathan zwar nicht, dass der Kaufmann den Expiraten gleichfalls wie einen Sohn behandelte, aber dass Baltan das absurde Verhalten dieses Jünglings und seiner eigenen Tochter zu entgehen schien, das war ihm unverständlich.
»In zwei Tagen ist die Karawane bereit euch zum Garten der Weisheit zu bringen«, erklärte Baltan und brach ein Stück Brot. »Oder hast du deine Meinung geändert und willst doch mit dem Schiff den Cedan hinauffahren?«
Yonathan riss den Blick von Schelima und Gimbar. »Nein, Baltan. Yomi, Gimbar und ich sind uns einig. Der Wasserweg ist zu leicht zu kontrollieren und wir wissen nicht, wo uns Sethurs Männer überall auflauern könnten. Dein Vorschlag ist gut. Wenn wir mit einem erfahrenen Führer auf
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