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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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Weder Winnie noch ich sind
besonders begeistert von der Oper - gemeinsam haben wir vielleicht drei oder
vier Vorstellungen besucht -, aber während des berühmten Quartetts spüre ich,
wie plötzlich Tränen in mir aufsteigen. Ich kann sie nicht zurückhalten, und
unbewusst taste ich im Dunkel nach Winnies Hand. Ich finde sie, vielleicht ist
sie es auch, die mich findet, und während der schmerzhaft schöne Gesang
erklingt und ausklingt, spüre ich einen unerwarteten Trost. Vielleicht liegt er
in der trivialen Tatsache begründet, dass Musik - und ganz besonders Opernmusik
- die Fähigkeit besitzt, über die Ohren direkt ins Herz zu gehen, ohne den Umweg
über den Kopf nehmen zu müssen. Und dass es gerade das Leiden ist, das uns
Menschen vereint, mehr als irgendetwas anderes. Hinterher, während wir unten
an der 63. Straße an der Haltestelle stehen und auf die Metro warten, frage ich
Winnie, wie sie darüber denkt.
    »Wie
ist es eigentlich mit deiner Kunst?«, frage ich. »Deine Bilder, müssen die erst
das Bewusstsein durchlaufen, bevor sie ins Herz gehen? Und gibt es etwas
anderes als Leiden, was wert ist, geschildert zu werden?«
    Über
diese Fragen haben wir natürlich schon früher gesprochen, oft und auf den
verschiedensten Ebenen, dennoch bin ich über ihre Antwort überrascht.
    »Armer
Erik«, sagt sie. »Du verstehst so wenig. Und deshalb kann ich dir auch Sarahs
Wiederkehr nicht erklären.«
    »Sarahs
Wiederkehr?«, wiederhole ich.
    »Ja.«
    Ich
stehe stumm da und betrachte sie eine Weile, bevor ich sage:
    »Du
könntest es wenigstens versuchen.«
    »Ein
andermal«, sagt Winnie, und dann kommt unser Zug und legt alle weiteren Worte
in Schutt und Asche.
     
    12
     
    Die
Polizisten, mit denen ich sprach - nachdem Kommissar Schmidt mit mir fertig war
-, hießen Tupolsky und Vendler. Ein Mann und eine Frau, beide so um die
fünfundvierzig, beide professionell freundlich und entgegenkommend.
    »Gibt
es jemanden aus Ihrem Bekanntenkreis, der dahinterstecken könnte?«, fragte
Inspektorin Vendler. Ich erinnere mich, dass ich sie hübsch fand, auf eine
sanfte, nordische Art - und dass ich, während ich dasaß und versuchte, nach
einem denkbaren Täter in unserem spärlichen Bekanntenkreis zu suchen, mich
fragte, warum sie wohl Polizistin geworden war. Warum es Frauen überhaupt zur
Polizei zieht.
    »Nein«,
antwortete ich, nachdem ich ausreichend nachgedacht hatte. »Ich bin mir
ziemlich sicher, dass da keiner ist. Außerdem habe ich ihn ja gesehen und ihn
nicht wiedererkannt.«
    »Kann
ein Strohmann gewesen sein«, schlug Inspektor Tupolsky vor. »Es gibt niemanden
in Ihrer Familie, der ein Motiv hätte haben können, Ihre Tochter zu entführen?«
    »Weder
ich noch meine Frau haben irgendeine Familie«, sagte ich. »Wenn man es genau
nimmt, jedenfalls.«
    »Sie
waren beide schon einmal verheiratet?«
    »Ja.
Aber das tut nichts zur Sache. Meine Frau hat ihren Ehemann und ihre Tochter
vor vielen Jahren bei einem Unfall verloren. Meine frühere Frau lebt in
Spanien, wir haben keinerlei Kontakt.«
    »Aha«,
kommentierte Vendler. »Nun ja, wir wollen nur das Motiv ausschließen. Ist Ihnen
in der letzten Zeit irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Ungewöhnliches?«,
fragte ich.
    »Im
Hinblick auf Sarah«, präzisierte Tupolsky. »Personen, die... ja, die sich
irgendwie ungewöhnlich benommen haben.« «Nein.«
    »Fremde
Menschen, die sich in der Nähe Ihres Hauses aufhielten zum Beispiel?«
    Ich
überlegte und schüttelte den Kopf. »Nein, nichts dergleichen.«
    »Sicher?«
    »Jedenfalls
nicht, soweit ich mich erinnern kann.«
    »Merkwürdige
Telefonanrufe?«
    »Nein.«
    »Unbekannte
Nummern auf dem Anrufbeantworter?«
    »Nein,
das habe ich überprüft.«
    »Ausgezeichnet.
Es wäre jedenfalls gut, wenn Sie in dieser Richtung noch einmal nachdächten.
Der kleinste Hinweis kann genügen. Zögern Sie nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen,
wenn Ihnen noch etwas einfällt.«
    »Natürlich.
Ich verstehe.«
    Vendler
übernahm.
    »Der
Täter hat nicht versucht, Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen, seit es
passiert ist?«
    »Nein.
Warum fragen Sie?«
    »Kidnapping.
Möglicherweise ist ja jemand auf Geld aus. Will Sie dazu bringen, eine größere
Summe zu bezahlen, damit Sie Ihre Tochter wiederbekommen.«
    Ich
schüttelte den Kopf.
    »So
einen Kontakt hat es also nicht gegeben?«
    »Nein.«
    Vendler
warf ihrem Kollegen einen kurzen Blick zu, bevor sie fortfuhr. »Wir möchten Sie
dringend ermahnen, uns in dieser

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