Nesser, Hakan
uns richtet - einen schweren,
matt glänzenden Revolver, kein Gewehr, er hält ihn mit beiden Händen, mein
Gewehr steht noch oben im Zimmer an eine Wand gelehnt -, dass er zurückgekommen
ist und dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Ganz
und gar nicht. Aron Fischers Augen sind kalt und funkeln dunkel, Ton in Ton
mit seiner Waffe, sie stehen eng zusammen, ungewöhnlich eng, und es ist nicht
schwer, den Wahnsinn hinter ihnen zu erkennen. Er steht einige Stufen hoch auf
der Treppe, und er muss gesehen haben, dass ich seinen Vater getötet habe.
Aber das interessiert ihn nicht; es liegt etwas Genussvolles, fast Hungriges
in seiner Art, uns zu betrachten, eine lang genährte Erwartung, die nun in
Erfüllung gehen wird. Ja, er ist einfach zu durchschauen, und seine dünnen
Lippen öffnen sich langsam für ein kontrolliertes Lächeln.
»Mr.
Steinbeck«, sagt er. »Wie schön, Sie zu sehen, aber ich glaube, dass Sie hier
eingedrungen sind.«
Ich
zögere eine Sekunde. Wahnsinnig, vielleicht erhört?, denke ich. Dann treffe ich
eine Entscheidung und folge ihr.
Der
Schuss trifft mich. Der Schmerz ist weiß glühend. Der Schrei, den ich als
Letztes mitbekomme, kommt von Winnie, meiner Ehefrau, und er ähnelt keinem
anderen Geräusch, das ich jemals gehört habe.
Danach
wird alles dunkel. Und still.
42
Ein
Metallgeschmack, dann ein Gittermuster.
Das
ist das Erste, was ich registriere, und die Gitter scheinen durch meine
geschlossenen Augenlider. Vielleicht habe ich sie eine Weile geöffnet gehabt
und dann wieder geschlossen, das ist schwer zu sagen. Ich erinnere mich, dass
ich in einem roten und schwarzen Fluss geschwommen bin, es war ein Kampf,
Strömungen und Wasserwirbel zu überwinden, und mehrere Male war ich kurz davor
aufzugeben. Hitze und Kälte wechselten sich ab, und es war wirklich nicht
leicht zu begreifen, wozu das gut sein sollte. Warum die Kräfte aus einer
ausgetrockneten Quelle saugen? Warum diese pathetische Ungeduld?
Aber
es gibt eine Boje mitten im Fluss, und an der habe ich mich festgeklammert. Sarah
hat sich auch an ihr festgeklammert, sie ist es, die die Rettung ist, und die
Feuer, wir haben einander umklammert, und die Boje ist bei näherem Hinsehen
keine Boje, sie ist nur ein Augenblick, ganz einfach eine Sekunde vibrierender
Gegenwart im Strom der Zeit, in der wir einander im Zimmer gegenüberstehen und
begreifen, dass es uns beide gibt und dass wir leben. Und es war gerade eben
erst, zumindest habe ich das Gefühl. Gerade eben erst und gerade jetzt. Und
das wilde, schäumende, rotschwarze Wasser ist doch nichts anderes als die Zeit
selbst, wie man vermuten darf, die Sekunden, Tage und Jahre, die um diesen
unverrückbaren Augenblick herum brausen, und es gibt vieles, was vorbeisaust,
während wir dort hängen und uns trösten, meine Tochter und ich. Französische
Poeten, kleine, nicht zu identifizierende Hunde, ein Bild mit einem Gesicht,
das nicht so recht hervortreten will und noch so vieles andere mehr.
Und
das andere Ufer ist jetzt erreicht, auch das begreife ich. Der Fluss liegt
hinter mir. Metallgeschmack und Gittermuster bilden die aktuelle Wirklichkeit;
als ich ein Auge öffne, sehe ich, dass es sich um eine Art Ventilationsgitter
handelt, das in einer weißen Decke eingelassen ist, und die Decke gehört zu dem
Zimmer, in dem ich mich momentan befinde. Ich liege in einem Bett, aber als
ich auch das andere Auge öffne, fängt alles an, sich auf eine schwankende,
äußerst unangenehme Art und Weise zu bewegen, Übelkeit steigt in mir auf, und
ich beschließe schnell wieder nach innen zurückzukehren. Ich bin so müde, so
todmüde.
Aber
die Geräusche aus dem Zimmer bleiben hängen, ich kann sie auch mit
geschlossenen Augen vernehmen, es scheint, als befänden sich Menschen hier, in
der Nähe um mich herum, und die Resonanz ihrer Stimmen und ihre vorsichtigen
Bewegungen lassen mich den Schluss ziehen, dass ich mich in einem Krankenhaus
befinde. Ganz, ganz gewiss ist hier die Rede von einem Krankenhaus, denke ich,
aber dieses Mal ist es nicht Winnie, meine Ehefrau, die seine Ressourcen in
Anspruch nimmt, dieses Mal bin ich es. Mit einem gewissen Recht, wie ich
empfinde. Mit einem gewissen Recht.
Und
die Gerüche, sie dringen auch zu mir hindurch. Zumindest einer, es ist der
Geruch meines eigenen Körpers, und ich erkenne ihn nicht so recht wieder.
Außerdem
ist etwas mit dem Körper selbst nicht in Ordnung. Ich glaube, er hört irgendwo
in der Höhe des Magens
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