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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Kunze und Frau Trudchen zeigten entsetzte Gesichter. »Kunze, jeh bloß mal nachsehen. Das muß oben bei die Tropenfräulein sein.« Kunze setzte sich in Bewegung, während die Klingel unausgesetzt weiterschrillte. Der Geheimrat riß ärgerlich die Tür auf: »Zum Kuckuck noch eins - wo brennt's?« Vom oberen Stockwerk erklang Anitas Stimme. »Homer - Homer - wo bleibst du denn?« In portugiesischer Sprache rief sie es. Sie war nicht daran gewöhnt, daß ihr Klingeln nicht beachtet wurde. »O Donna Anita ...« Der kleine Neger wußte nicht, wie schnell er die Treppe heraufkommen sollte. »Homer hat nicht gewußt, daß Donna Anita gerufen.« »Fürs nächste Mal weißt du es!« Man hörte zwei Ohrfeigen knallen. »Na, das ist halt stark!« Der aus seinem Schläfchen aufgestörte Großvater stieg kopfschüttelnd die Treppe hinauf. Die Großmama folgte. Droben stand Homer und hielt sich die geschlagene Wange, während Anita mit zornigen Augen auf die Koffer wies. »Auspacken!« befahl sie.
    »Höre mal, mein Kind, in meinem Hause werden Untergebene nimmer geprügelt. Das mag in Amerika vielleicht noch Mode sein. In unserem zivilisierten Europa nit. Verstehst?« O ja, Anita verstand. Sie sah, daß der Großpapa sehr aufgebracht war. »Er hat nicht gehorsam mir«, erklärte sie. »Er soll packen aus Koffer und hat nicht gekommen.« Wieder überflog Zornesröte das junge Gesicht.
    »Tust du immer das, was man von dir wünscht, Anita?« fragte die Großmama mit einem sprechenden Blick auf die noch unausgepackten Koffer.
    »Homer ist Diener, hat zu gehorchen. Ich bin eine Tavares.« Anita warf den Kopf mit den schwarzen Locken hochmütig zurück.
    »Ein Kind bist, das erzogen werden muß. Ich verlange von dir, daß du Homer um Entschuldigung bittest.« Hochmütige Standesunterschiede konnte der gerecht denkende Mann, für den arm und reich gleich galt, für den Tod nicht leiden. »Ich bitten Homer?« Anita lachte laut auf. So komisch kam ihr diese Aufforderung vor. »Es ist mein Ernst«, beharrte der Großvater. »Also vorwärts.«
    »Eher ich gehe zurück nach Sao Paulo.« Wieder flogen die schwarzen Locken temperamentvoll in den Nacken.
    »Das ist weniger einfach, als um Entschuldigung zu bitten. Ich warte.« Niemals hätte Anita gedacht, daß der Großvater, der so lieb zu ihr gewesen war, so streng sprechen könnte. Aber damit erreichte er bei dem Starrkopf nur das Gegenteil. Jetzt mischte sich die Großmama als Friedensengel hinein.
    »Ich werde Anita zur Vernunft bringen, Rudi. Du brauchst deine Nachmittagsruhe. Lege dich wieder hin, mein guter Mann«, bat sie.
    Der Geheimrat verstand die Absicht seiner Frau, das Mädel nicht gleich am ersten Tage gar so scharf anzufassen.
    »Na ja, hm, versuch halt du dein Heil, Fraule«, brummte er einverstanden und begab sich wieder hinunter in sein Zimmer.
    Droben fühlte die Großmama, noch ehe sie die unterbrochene Verhandlung mit der Enkelin wieder aufnehmen konnte, Mariettas kleine, kalte Hand bittend in der ihren. »Großmama, bitte, bitte, nicht sein böse auf Nita. Nita ist nicht schlecht, ist nur schnell zornig. Sie gibt Homer oft Schokolade und Kuchen, wenn sie hat geschlagen ihn. Nita ist nicht schlecht ...« So bat Marietta für ihren Zwilling.
    »Damit macht sie ihre ungehörige Handlungsweise nicht wieder gut, Kind. Was hat denn eure Mutter dazu gesagt, wenn sie den armen Homer schlägt?«
    »Mammi nicht weiß das«, sagte Marietta wahrheitsgemäß.
    »Und die Miß? Wo ist denn Miß Smith überhaupt?«
    »Hat sich gelegt zu schlafen, hatte müde von Reise.«
    »Na, das muß ein gesegneter Schlaf sein, wenn sie bei dem Radau nicht aufgewacht ist«, entfuhr es der impulsiven Frau Annemarie. »Nun höre, Anita, ich will dir die Entschuldigung erlassen«, die kluge Frau wußte noch von ihrem eigenen Nesthäkchen her, daß man Eigensinn nicht mit Gewalt zu brechen vermochte. »Wenn du erst längere Zeit bei uns im Haus bist, wirst du es kennenlernen, daß wahre Vornehmheit sich darin zeigt, wie man seine Untergebenen behandelt. Aber das eine verlange ich von dir, daß du Homer nie mehr schlägst. Versprichst du mir das?«
    »Ja«, sagte Anita und legte die Hand bekräftigend in die der Großmama. Daß die Großmama sie nicht zu der Entschuldigung zwang, hatte ihr die volle Sympathie der jungen Enkelin eingetragen.
    »So, Kinder, und nun wollen wir ans Auspacken gehen. Homer hat ja die Koffer schon geöffnet.« Frau Annemarie schlug einen anderen Ton an.
    »Nicht die liebe

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