Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
kennt und nicht verleugnet, kann sie erfolgreicher leben – und wenn es der Trieb ist, eine Menge Geld verdienen zu wollen.«
Ihre Besserwisserei und ihre Sucht, andere auf Fehler aufmerksam zu machen, führte eine meiner Freundinnen nach Los Angeles, wo sie heute erfolgreich als Continuity im Spielfilmbereich arbeitet und darauf achtet, dass es bei den Dreharbeiten nicht zu Anschlussfehlern im Film kommt. Eine Schriftstellerkollegin erkannte ihr Talent als Autorin in der Psychiatrie: Sie war mit einer schweren Depression eingeliefert worden und musste sich der niederschmetternden Tatsache stellen, dass sie eigentlich nichts interessierte – außer über sich selbst zu sprechen. Allerdings tat sie dies so unterhaltsam, dass sie damit alle anderen Patienten erfreute. Bis ihr ein Mitinsasse mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung die entscheidende Frage stellte: »Warum schreibst du das eigentlich nicht auf?«
Quentin Tarantino gestand einmal, dass er sich in der Schule nicht nur für nichts interessiert habe, sondern ihm auch die Gabe fehlte, Interesse vorzutäuschen. Irgendwann stieß er dann auf das, was ihm besonders lag: Geschichten erzählen.
Die Berliner Künstlerin Helga Goetze, geboren 1922, gestorben 2008, stieß mit fast 50 Jahren und nach sieben Kindern auf ihr Lebensthema: Ficken. Sie stickte und malte Bilder von Genitalien, schrieb Gedichte über das Ficken, verließ ihren Mann, lebte in Schwulen-WGs und stand vor allen Dingen bis zur Wende an der Berliner Gedächtniskirche und hielt ihre Botschaft auf einer Tafel in die Luft: »Ficken für den Frieden«. Dutzende Male wurde sie verhaftet und anschließend in die Nervenheilanstalt gebracht. Ein Polizist fragte sie bei einer ihrer ersten Verhaftungen: »Merken Sie denn nicht, Frau Goetze, dass Sie stören?« Das freute sie, denn damit fühlte sie sich verstanden.
Ein Verlag interessierte sich sogar für ihre Gedichte, musste aber von einer Veröffentlichung Abstand nehmen, weil Helga Verlegern und Lektoren eindeutige Bedingungen stellte: mit ihr zu schlafen. Rosa von Praunheim porträtierte sie in seinem Film Rote Liebe , sie hatte Fans in der ganzen Welt und bis zu ihrem Tod junge Liebhaber. Als sie im wiedervereinigten Berlin täglich vor dem Reichstag stand und den Abgeordneten zurief »Heute schon gefickt?«, holten einige die Polizei. Doch die Polizisten meinten nur: »Das ist die Helga, die verhaften wir nicht.« Denn Helga war Kult in Berlin. Ihre Stickereien sind sogar in die Collection de L’Art Brut in Lausanne aufgenommen worden.
Nicht zu freundlich sein
Wer zu nett ist, kann nicht der Chef im Laden sein. Unfreundlichkeit wird meist mit Autorität assoziiert und Freundlichkeit mit Dummheit. So einfach das vielleicht klingen mag, so wahr ist es. Ernst genommen wird nur derjenige, der von Zeit zu Zeit unter Beweis stellt, dass er mit der Ablehnung von anderen gut umgehen kann. Dies erreicht am besten, wer sich möglichst ungerecht verhält, denn den gerechten Zorn der Mitarbeiter und Kollegen auf sich zu ziehen, halten nicht viele Leute aus.
Leider bestätigt sich dieser Zusammenhang umso mehr, je höher jemand in einem Unternehmen aufsteigt, verrät Dominique Le Parc: »Im Management ist es eine Schwäche, sich an Konventionen zu halten. Man muss Persönlichkeit haben. Und übrigens: Lieber hat man eine schreckliche Persönlichkeit als gar keine.«
Dominique Le Parc – Anweisungen für Manager
»Manager und andere Führungskräfte müssen heute wendiger und flexibler sein denn je, aber wer sich in Konventionen bewegt, kann nicht schnell genug reagieren«, lautet Le Parcs wichtigste These. »Um das Spiel mit den Konventionen besser zu durchschauen, ist es nötig, eine Art Außenseiterrolle zu übernehmen, nach dem Motto: ›Ich muss nicht alles mitmachen!‹
Deswegen bin ich bei einigen meiner Übungen immer so weit gegangen, bis meine Mitspieler sagten: ›Nein, das lasse ich nicht mehr mit mir machen, das mache ich nicht mit!‹ Dann habe ich gedacht: Wunderbar! Sie haben verstanden, sie haben sich wieder, denn sie rebellieren und finden so zu ihrer Kreativität.«
Dominique Le Parc reizt also Manager, bis sie rebellieren. Direkt auffordern zur Rebellion kann er sie schließlich nicht, denn das wäre ein Widerspruch in sich. Daher ist es im Grunde genommen unsinnig, seine Anweisung, in den entsprechenden Kreisen gegen die Konventionen und das Protokoll zu verstoßen, hier weiterzugeben. Dennoch habe ich ihn
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