Neue Zeit und Welt
Wehen.«
»Aber das kann nicht sein, Majestät, Ihr seid erst drei Monate …«
»Ich habe Wehen, die nicht vergehen, wie du siehst, wie du siehst, erzähl mir nichts, ich will dieses Kind!«
Ihr letztes Wort war beinahe ein Schrei, als sie sich in Krämpfen wand. Isis saß wie eine kleine Sphinx auf dem Podest vor den Füßen der Königin, blickte ohne Neugier, unbewegt, auf das schmerzverzerrte Gesicht der Monarchin.
Die Königin erschlaffte wieder.
»Vielleicht ein Abgang …«, begann Fleur.
»Es wird keinen Abgang geben, nicht von mir, nicht vom Kind. Du wirst die Wehen lindern, wenn du kannst, und wenn nicht, was du fandest, und operieren, und mich nach Kaisers Schnitt verzieren, eine Seite aus dem Buch des Kaisers, das des Kaisers ist, zerteil das dann, fang an, fang an, reiß heraus das blutige Kind, geschwind, dass ich es find’, doch rette das Kind!«
»Herrin, was die Rettung eines drei Monate alten Fötus betrifft …«
»Das ist kein bloßer Fötus, du Tölpel, das ist eine Prinzessin, mächtig genug, sich in dem luftlosen, dumpfen Gefängnis zu halten, wenn du sie nur herausholst. Und ich werde mich freuen, nichts scheuen, wenn du mir diese Qual wieder nimmst.« Die letzten Worte waren geflüstert, als Schweiß auf ihre Oberlippe trat.
»Ja, meine Königin«, sagte Fleur lächelnd. »Wir werden tun, was wir können. Ich werde dem Narkosearzt …«
»Nein«, sagte sie mit erstickender Stimme, »nein, nein, nn, nn, nein, keine Narkose, nicht in der Hose, nichts für die Schmerzen ohne Sesterzen, keine Drogen, nichts als gelogen, nichts Schläuche für Bäuche oder Nadel und Faden!«
»Aber, Majestät …«
»Ich bin hier noch Herrscherin und bestimme über den eigenen Leib wie ein Weib. Ich bin Expertin für die autoregulatorische Steuerung all meiner Körperfunktionen. Lass mir nur einen Augenblick Zeit, mich zu fassen. Ich steuere meine Schmerzen. Ich steuere meine Atmung. Ich steuere sogar meine Blutung, wenn du zum Messer greifst. Ich bestimme. Ich bin Herr und nicht leer, ohne mehr, ich bestimme mit der Stimme. Ich bin sie mit der Macht, nicht gelacht, und meine Zeit, Mutter zu sein, ist so nah, und du wirst tun, was ich verlange.« »Jawohl, meine Königin. Auf der Stelle.«
Die Königin lag flach auf dem Marmortisch, die Augen geschlossen, die Atmung regelmäßig. Ihr Bauch war dick, dicker, als eine Schwangerschaft von drei Monaten erklären konnte.
Zehn Gestalten standen um sie herum, in Kitteln, behandschuht. Es waren Neurowesen: Ärzte, Krankenschwestern, Techniker für alle Notfälle. Isis sah vom Thron aus zu. Fleur hielt ein Skalpell in der Hand. Er blickte sich um. Alles war bereit.
Er setzte das Skalpell am Bauch der Königin an, der durch den Fötus im Inneren prall gespannt war. Sorgfältig zog er die Schneide im Bogen herunter, schnitt die Haut auf bis zum Schambein, ein gelblicher, vertikaler Schacht, rot punktiert, wo Blutungen stockten. Wieder zog er das Messer hinunter, tiefer diesmal, durch das Bauchfell, und ein letztes Mal, durch das Peritoneum vom Becken, den Uterus freilegend.
Die nächsten Minuten nutzte Fleur dazu, blutende Gefäße abzuklemmen, obwohl wenig Notwendigkeit dazu bestand. Wortgetreu hatte die Königin den Blutkreislauf umgeleitet von dieser Stelle, um den Blutverlust möglichst gering zu halten. Als der Weg frei war, setzte Fleur das Skalpell am Uterus an und nahm zwei schnelle Schnitte vor, führte den zweiten vertikal hinab zum Muttermund, öffnete ihn weit.
Dann geschah etwas, das alle Anwesenden zutiefst erschrecken ließ - Isis freilich ausgenommen –, so dass eine Minute lang niemand sich bewegte oder sprach.
Aus dem Uterus sprang der Fötus. Nur war es eigentlich kein Fötus. Es war ein vollentwickeltes Kind, ein Mädchen, das eher drei Jahre als drei Monate alt zu sein schien. Sie sah beinahe menschlich aus. Die auf Anhieb erkennbaren Unterschiede waren: ein Kopf, länglicher als bei Menschen üblich; fremdartige, hohle, spiegelnde, scheibenförmige Augen; eine schnabelartige Nase; ein langes, ovales, rotes Muttermal, an beiden Schläfen flammend; spindeldürre, spitze Finger; und ein rosiges, fleischiges Schwanzstück.
Sie sprang zum Thron wie ein behänder Affe und begann sofort die Nabelschnur zu zerkauen, die sie mit der Plazenta im Uterus der Mutter verband.
Sie blickte von einem erstaunten Gesicht zum anderen, drehte den Kopf mit den ruckhaften, schnellen Bewegungen eines Vogels. Ihre Augen blieben schließlich an der
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