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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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hingehalten, an das Glas, bis man erkannte, dass sich im Inneren ein Mensch befand – ein betäubter, bewusstloser, möglicherweise toter Mensch, an ein merkwürdiges Gerät gefesselt.
    »Was ist das?« fragte ein Angestöpselter.
    »Wer ist das?« wollte ein Buch wissen.
    »Waffen für die Königin, ganz sicher.«
    »Sieht aus wie eine Flaschenpost«, meinte Jasmine lächelnd, als sie auf den Felsvorsprung hinunterstieg, der dem Teich, in dem das kleine Boot schwamm, als Naturkai diente. Rose zwängte sich durch die Umstehenden nach vorn und blickte gerade in dem Moment in die Kristallkajüte, als Josh sich zu regen begann. Er hob den Kopf. Den Umstehenden stockte der Atem. Er blickte verständnislos auf die erschrockenen Gesichter, die ihn durch das Glas anglotzten, bis seine Augen an den drei Menschen haften blieben, die in der vordersten Reihe standen: Jasmine, Ollie, Rose. Sein Mund ging auf und zu.
    »Joshua«, flüsterte Jasmine. Ollies Herz zuckte; sein Blick verschwamm; er musste sich hinsetzen.
    Rose flüsterte: »Lieber Joshua.« Dann drehte sie sich zu den anderen herum und sagte mit lauterer Stimme: »Das ist Die Schlange.«
    Vielleicht war es doch Schicksal.
     
    Die nächsten Tage brachten ein solches Maß an innerem Aufruhr, dass sie schwer zu beschreiben sind. Für die Angestöpselten war es ein tiefreligiöses Erlebnis – die Rückkehr des Schlangengottes, ihres Befreiers, Erlösers, Zerstörers, Messias. Bei jeder Gelegenheit begrüßten sie ihn mit dem Zeichen der verflochtenen Finger. Für die Bücher war es der Auftritt eines wahrhaft heldischen Schreibers – um so großartiger, als er seine Tagebücher mitgebracht hatte: genaue Schilderungen all seiner Erlebnisse und Abenteuer, samt Fußnoten, Daten und Karten, niedergeschrieben während seines vielwöchigen Aufenthalts in Atlantis. Außerdem hatte er viele Bücher von dort dabei, einschließlich des Lexikons – die umfassendste Liste alter und neuer Wörter, die je ein Mensch gesehen; ein Buch, das auf Jahre hinaus als Quelle für das GW dienen konnte.
    Für Aba war es das Erscheinen des Mannes, für den Lon sein Leben gegeben hatte – jener Mensch, der mit dem alten Vampirmeister bei dessen Tod an den Wällen der Stadt zusammengewesen war.
    Für Jasmine, Beauty, Rose und Joshua war es eine Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart, ein mirakelhaftes Vereinen von Wegen. Es war das Zusammentreffen alter Freunde.
    Aber für die Höhlen war Josh hassenswert, denn er war der Brennpunkt, um den sich nun alles scharte, ein Magnet, der Richtung und Fluchtweg wies. So folgten seiner Ankunft mehrere Tage wissend-grollenden Donners und zorniger Kleinbeben. Aber Bedeutsameres fand nicht statt, denn die Macht der Katakomben entstammte ihrer Verkörperung dumpfer, bodenloser Verzweiflung, und sobald dieser Abgrund einmal ausgefüllt war, blieb Leere nur noch als Erinnerung.
    Gleich nachdem Joshua Gelegenheit gefunden hatte, sich von seiner Reise der Wiedergeburt zu erholen – schon am nächsten Abend –, aßen die fünf alten Freunde gemeinsam und unterhielten sich.
    Rose begann sofort zu weinen, als sie zu den anderen in den kleinen, warmen Raum trat. Sie umarmte Josh heftig. Die beiden pressten sich aneinander.
    »Joshua, Joshua«, stieß sie zwischen Schluchzern hervor.
    Er beruhigte sie.
    »Warum weinst du, wenn wir wieder alle zusammen sind?«
    »Sie weint um sich selbst«, sagte Ollie nicht ohne Mitgefühl.
    »Sie weint für uns alle«, verbesserte Beauty. Seine Traurigkeit war durch Joshuas Rückkehr wenn nicht aufgehoben, so doch gelindert.
    »Um ihrer Freude willen, dich wieder zu sehen, Josh«, sagte Jasmine. »Um all der Dinge willen, die wir nun wieder teilen können, was uns so lange versagt war.«
    Beauty hob sein Weinglas.
    »Vor sechs Wintern haben wir in einer Höhle nicht weit von hier einander zugetrunken und gesagt: ›Auf alles, was wir verloren, auf alles, was wir gefunden haben.‹« Er trank.
    Sie tranken alle, und die Mahlzeit begann.
    Als erstes erzählten sie einander, was sie erlebt hatten. Es waren Geschichten für Gelächter und Tränen. Rose konnte nicht die Worte für jene Tat finden, die sie alle hierher geführt hatte – die Entwendung von Joshuas schützendem Helm.
    »Ich hoffe, du verstehst«, sagte sie weinend zu ihm. »Ich habe es aus Liebe getan – damit du erfährst, was ich erfahren hatte –, damit wir es eines Tages gemeinsam wissen sollten.«
    »Ich habe dich nie aus Bösartigkeit handeln sehen«,

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