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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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leidet als der andere.«
    Der Junge lächelte zögernd und entblößte vor dem hilflosen Vampir ebenfalls den Hals.
     
    Am nächsten Morgen erklärte D’Ursu, was ihn an Städten am meisten störe, sei der Mangel an Licht und freiem Raum. Aus diesem Grund führte man ihn am folgenden Tag durch die Sonnenräume.
    Das waren Räumlichkeiten in den höchsten Türmen der Festung, ohne Decke, mit Wänden aus Glas. In der Mitte jedes Raumes befand sich ein riesengroßer, grüner Kristall – einem vielfach facettierten Smaragd ähnlich, mehr als drei Meter im Durchmesser.
    D’Ursu zeigte sich endlich einmal beeindruckt.
    »Ich habe noch nie einen so großen Edelstein gesehen«, knurrte er.
    »Es ist eigentlich keiner«, erklärte ihm seine Führerin, eine Neurofrau namens Moira. Sie war höflich und wirkte verwöhnt. »Das ist ein Solarkollektor – zum Teil organisch, mit Fotoelementen in einer Kristallmatrix auf Chlorophyllgrundlage. Wir werden bald die ganze Stadt auf diese Weise mit Energie versorgen.«
    D’Ursu blickte am glitzernden Grün vorbei zum Horizont.
    »Hier kann man viele Meilen weit sehen«, sagte er.
    »Damit betreiben wir eines Tages alles«, sagte Moira stolz.
    D’Ursu wurde zornig.
    »Ist das alles, was du sagen kannst, wenn du diese Aussicht siehst? Was soll es nützen, das alles zu betreiben? Lernt ihr Menschen denn nie?«
    »Ich bin kein Mensch«, sagte Moira geziert.
    »Aber du tust genauso«, brummte der Bär kopfschüttelnd. »Ihr wollt mit diesen Apparaten die Sonne einfangen, nicht?«
    »Das tun wir hier schon.«
    »Aber wozu bloß?« brüllte D’Ursu. »Die Sonne ist viel schöner da oben! Ich kann zum Fluss gehen und einen Fisch essen, und die Sonne trocknet mich brav ab!«
    »Du brauchst nicht zu schreien«, sagte Moira kalt. »Ich sehe nicht ein, was dein Frühstück mit unserer Energieversorgung zu tun haben soll.«
    »Mein Frühstück ist meine Energieversorgung!« schrie er aufgebracht. »Was brauche ich mehr? Was braucht ein anderer mehr?«
    »Wir brauchen viel mehr«, sagte sie mit einem ernsthaften Nicken. »Wir müssen an unsere Experimente denken …«
    »Was für Experimente?« knurrte er.
    »Nun … etwa an dieses, zum Sammeln der Sonnenenergie…«
    »Rhrrrrr!« D’Ursu knurrte flehend zur Sonne hinauf, die hinter dem grünen Schein des lichtsammelnden Kristalls stand, und Moira sah ihn perplex an.
    Osi betrat seinen Harem. Die Gaben waren zurückgekehrt. Im sanften Licht des Morgens betrachtete der hochgewachsene Vampir die bläulich verfärbten Hälse der Geschwister.
    »Nun?« fragte er schließlich.
    »Er scheint gütig zu sein, dieser Sire Aba«, erklärte das Mädchen.
    »Und lobt Euch sehr, Sire«, fügte der Junge hinzu.
    »Wie das? Was meint ihr?« fragte Osi.
    »Er hat uns mehrmals gesagt, was für einen edlen Herrn wir haben müssen, weil wir so aussehen und uns so gut benehmen«, sagte das Mädchen mit einem Nicken.
    »So, hat er das gesagt?« Osi dachte nach, während er den Schenkel des Jungen streichelte.
    »Und ob«, bestätigte der Junge.
    »Und als er schlief, verlangte er mehr«, fuhr das Mädchen fort.
    »Und wir gaben ihm mehr, so dass er wach wurde«, ergänzte der Junge lächelnd.
    »Aber als er wach war, befahl er uns, aufzuhören und unser vollstes Blut für unseren ›Fürsten mit den Donneraugen‹ zu sparen.«
    Osi zog die Brauen hoch.
    »Fürst mit den Donneraugen?«
    »So hat er Euch genannt, Sire.«
    »Gut, dann geht, lassez-moi«, sagte Osi.
    Die zwei bleichen Menschen standen auf, verbeugten sich und verließen das Zimmer. Osi ließ sich auf seine Couch sinken.
    Dieser rätselhafte junge Sire erweckte sein Interesse. Ein Vampir in Gesellschaft eines Bären und eines Zentauren! Wie amüsant! Er schien aus gutem Hause zu sein und durchaus charmant. ›Fürst mit den Donneraugen‹, in der Tat!
    Er griff nach einer kristallenen Handglocke auf dem Tisch und läutete. Kurz danach erschien eine üppig geformte Frau und brachte ein Tablett mit Imbiss-Speisen.
    »So früh schon Frühstück, Sire?« sagte sie lächelnd. Ihr ganzer Körper war von Perlenschnüren umwickelt, die beim Gehen leise klapperten.
    »Nur ein Aperitif, Vera«, murmelte er.
    Sie setzte sich zu ihm, griff nach einer Karaffe voll goldener Flüssigkeit und goss den Inhalt in ein dünnwandiges Glas. Dann stach sie mit einem herrlichen nadelbewehrten Ring, den sie an der Hand trug, in ihr Ohrläppchen und neigte ein wenig den Kopf zu Osi. Er beugte sich vor, leckte das Blut von

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