Neugier und Übermut (German Edition)
kein zwiegespaltener Mann wie Edward Teller, der zeit seines Lebens dagegen kämpfte, Vater der Wasserstoffbombe genannt zu werden, der aber mit jeder möglichen Waffe und fast krankhaftem Antikommunismus alles »Böse« (die Sowjets) bekämpfen wollte.
Auf der anderen Seite fühlte Sam sich nicht wie J. Robert Oppenheimer, der, später von Gewissensbissen geplagt, am liebsten seine Erfindung, die Atombombe, ungeschehen gemacht hätte. Gegen Oppenheimers verspätete Reue führte Samuel Cohen an, in Los Alamos habe der hehre Geist noch anders gesprochen. Und er tat so, als vertraue er mir ein Geheimnis an: Am Tag der Explosion der Atombombe über Hiroshima habe Oppenheimer – anders als sonst – ganz bewusst einen großen Auftritt im Versammlungsraum von Los Alamos inszeniert. Er, der sonst immer auf die Sekunde pünktlich war und die Bühne von der Seite her betrat, kam diesmal mit Verspätung langsam den Mittelgang herunter, genoss den lang anhaltenden Beifall, den ihm die Wissenschaftler im Stehen darboten, und sprach abfällig von den »Japsen«, die nun besiegt seien.
Und dann sagte Oppenheimer, er bedaure nur eines zutiefst, nämlich dass die Bombe nicht rechtzeitig zum Einsatz in Deutschland fertig gewesen sei.
Es dauerte nicht lange, bis Oppenheimer, der nach dem Krieg wieder lehrte, nach Los Alamos zurückkam und vor den Folgen eines Atomkriegs warnte. Er hatte moralische Bedenken, weil nun er als der Vater der Atombombe galt.
»Ich habe ihm seinen moralischen Wandel nie geglaubt«, sagte dazu Sam Cohen völlig ohne Emotionen.
Oppenheimer riet nun heftig vom Bau der Wasserstoffbombe ab. Damit kam er wieder einmal in Konflikt mit Edward Teller, der unter Oppenheimers Führung schon am Manhattan-Projekt mitgearbeitet hatte. Teller hatte jedoch keine moralischen Bedenken. Er wurde, wie Samuel Cohen, von einem unbändigen Hass auf die Kommunisten getrieben.
Auch Edward Teller habe ich mehrfach interviewt, in Washington und bei ihm zu Hause in Stanford. Er war 1908 in Budapest geboren, dort aber war es Juden verboten, die Universität zu besuchen, weshalb er in Deutschland studierte, bei Heisenberg promovierte und wegen seiner jüdischen Abstammung 1934 vor den Nazis nach Dänemark floh. Als dann die Gefahr bestand, dass die Deutschen auch dort einmarschierten, ging er in die USA. Ich fragte ihn, ob dieses ständige Wechseln der Forschungsstätten ihn nicht behindert hätte, doch er antwortete zu meinem Erstaunen: »Ganz im Gegenteil. Ich habe Ungarn verlassen und meine von dort stammenden Vorurteile bald abgebaut. In Deutschland war ich lang genug, um Denkhemmungen zu übernehmen. Doch die verlor ich schnell wieder. Und in Dänemark war ich dann zu alt, um noch einmal geistige Beschränkungen zuzulassen.«
Teller war unglaublich von sich selbst eingenommen. Samuel Cohen war mit ihm befreundet, schließlich teilten beide den Hass auf die Sowjets. Und Teller setzte sich sehr für die Neutronenbombe von Cohen ein.
Ich schilderte Sam meinen letzten Besuch bei Edward Teller, bei dem er sich so hasserfüllt und aggressiv gegenüber der restlichen Welt äußerte, dass es mir großes Unbehagen bereitete. Ich hatte Tellers Haus damals so schnell wie möglich verlassen.
»Ja, so konnte er sein«, sagte Sam, »er war sicher, neben Herman Kahn, einer derjenigen, die Stanley Kubrick als Vorbild für ›Dr. Strangelove – Dr. Seltsam‹ in seinem satirischen Film über die Liebe zur Bombe (1964) gedient haben. Ich habe den Film zu Hause und mindestens schon ein Dutzend Mal gesehen und werde ihn den Rest meines Lebens immer wieder anschauen. Teller hatte ein unkontrolliert zorniges Auftreten.«
Am Manhattan-Projekt hatte auch der 1900 in der Ukraine geborene George Kistiakowsky mitgearbeitet. Der hat seine Mitarbeit an der Atombombe später stets bereut und stand inzwischen den Gedanken der deutschen Friedensbewegung näher als denen der Atomlobby. Ich bat ihn 1981 in Washington um ein Interview, und er erzählte mir von einem Vorfall, der seiner Meinung nach Edward Teller für den Rest seines Lebens psychisch geschädigt habe.
Ein tiefer Grund für den Streit zwischen Oppenheimer und Teller lag in Oppenheimers Ablehnung der von Teller erfundenen Wasserstoffbombe.
1954 wurde J. Robert Oppenheimer vor den McCarthy-Ausschuss des Senats zitiert. Es sollte überprüft werden, ob er weiterhin die höchste Sicherheitsstufe erhalten sollte, oder ob er vielleicht zu viele kommunistische Freunde hätte. Auch Edward
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