NeuGier
Treffen sollte ihr wenig Zeit bleiben, darüber nachzudenken und sich zu viele Gedanken zu machen. Stattdessen sollte sie von der Vorfreude ergriffen werden, die auch ihn fest im Griff hatte.
Tatsächlich sprühte ihre Reaktion vor Spannung und Ungeduld. Ein bisschen zurückhaltender zeigte sie sich, als er sie wissen ließ, wie dieses und alle folgenden Dates ablaufen würden, doch auch hierzu gab sie ihm ihr Okay.
Jackson ahnte, dass es einige Überwindung und Konzentration kosten würde, nicht nur Kate, sondern auch ihn selbst, aber es würde den Nervenkitzel auf einem dauerhaft hohen Level halten. Zudem verhinderte diese Taktik, dass sie Dinge voneinander erfuhren, die für sie beide uninteressant bleiben sollten. Also würden sie sich an jedem Freitag begegnen, als sei es das erste Mal.
Acht
Auf dem Weg durch den Park wünschte sich Kate, den Dingen, die ohnehin geschehen würden, gelassen entgegensehen zu können. Doch das gelang ihr nicht. Zum Teil beruhte ihre Unsicherheit auf den Vorwürfen ihres Verstandes, was zur Hölle sie hier eigentlich trieb. Sie war verrückt genug gewesen, Jackson Ramones blind zu begegnen, und dank der gleichen Verrücktheit hatte sie sich für ihn in ein Krankenschwesterkostüm gezwängt. Jetzt war sie so irre, ihn in einem abgelegenen Park zu treffen. Er hatte gesagt, dass er lieber verrückt als normal war. Sie hatte nie zuvor drüber nachgedacht, doch jetzt tat sie es. Und in mancher Sekunde wunderte sie sich, warum es so viel Spaß machte und so aufregend war, verrückt zu sein.
Ihre Schritte klangen dumpf auf den Steinplatten, die von einer dünnen Moosschicht überzogen und brüchig waren. Es ging vorbei an wild wuchernden Grünflächen und maroden Holzbänken. Manche der unter Strom summenden, zweiarmigen Laternen glommen schwächer in der Dunkelheit und einige taten es gar nicht mehr, sondern thronten wie Geister in der Dunkelheit. Weit und breit sah Kate nicht eine Menschenseele, und hob sie den Kopf, dann entdeckte sie die Silhouetten von Krähen und Raben vor dem Nachthimmel. Ihr Krächzen mischte sich mit dem Ruf eines Käuzchens.
In der Ferne erspähte sie einen Brunnen und vernahm das Plätschern des Wassers, das mit gewonnener Nähe lauter wurde. Dahinter lag die Treppe, die auf eine höhere Ebene des Parks führte. Über ihr stand der Mond, rund und weiß.
Von ihrer Nervosität angestachelt, beschleunigte sie ihre Schritte. Den Blick gesenkt, eilte sie die Treppe hinauf, hob ihn erst auf der letzten Stufe. Dort stand Jackson. Die Hände in die Jackentaschen gesteckt, wartete er in der Mitte des Weges, der sich hinter ihm im gelben Licht der Laternen verlor.
Am liebsten wollte sie laufen, um die letzten Meter zu ihm noch schneller zurückzulegen und in seine Arme zu fliegen, erinnerte sich jedoch an ihre Abmachung und ging im bisherigen Tempo weiter, bis sie vor ihm stand. Ihm schien das nicht nahe genug, denn er minimierte den Abstand zwischen ihnen.
Minutenlang betrachteten sie sich, achteten auf das Funkeln ihrer Augen, auf die zu einem winzigen Lächeln angehobenen Mundwinkel, auf die sich vor Verlangen öffnenden Lippen. Zwischen ihren Blicken und Mündern hatte sich so etwas wie ein magnetisches Feld aufgebaut, das ein Abrücken unmöglich machte, sondern sie nur näher zueinander brachte. Bald standen sie so dicht beieinander, dass sie den Atem des anderen auf der Haut spürten.
Kate fielen hunderttausend Worte ein, doch kein einziges erschien ihr sagenswert. Vielmehr ahnte sie, dass Worte diesen Moment stören würden. Also hielt sie das Schweigen, wie Jackson es tat.
Aus dem letzten Zentimeter zwischen ihnen wurden Millimeter. Als kein Millimeter mehr da war, berührten sich ihre Münder – vorsichtig und ein bisschen spielerisch zuerst. Im selben Moment ließen beide los, ließen sich von diesem Kuss mitnehmen und gaben die Zügel ab, um ihn ungezügelt sein zu lassen, wild und verlangend; um ihm zu erlauben, der Überträger ihrer lostobenden Begierde zu sein.
Durch die Dunkelheit des Parks taumelnd, öffneten sie ihre Jacken und sandten ihre Hände auf eine Erkundungstour, um die Kurven und Muskeln des anderen Körpers zu ertasten. Als Kate mit dem Rücken gegen eine Wand stieß, hielten sie inne und betrachteten sich wieder. Jackson legte die Hände unter ihren Po und zog sie an sein Becken.
»Was treibst du nachts allein in einem Park?«, flüsterte er.
»Ich war spazieren«, gab sie im gleichen Tonfall zurück. »Was tust du denn hier?
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