Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers
Gefängnis.
An dieser Stelle, an der alles klar zu sein scheint, lasse ich mir etwas Hübsches, fast Pirandellianisches einfallen: Ich denke mir aus, dass der Oberstaatsanwalt, der meinen Helden vor dem Gefängnis bewahrt hat, wegen Zugehörigkeit zu einer mafiosen Vereinigung angezeigt, vor Gericht gestellt, vom Dienst suspendiert und zu zehn Jahren Haft verurteilt wird. Ich werde dem Leser wohlweislich nicht erzählen, ob dieser Staatsanwalt bei seiner Entscheidung über die Verhaftung meines Helden als Komplize oder als ehrlicher Staatsanwalt gehandelt hat. »So ist es, wenn es Ihnen so scheint«, würde Pirandello sagen. Dem schließe ich mich ganz bescheiden an. Jetzt weiter. Mein Protagonist betreibt seine Unternehmen weiterhin mit Erfolg. Er besitzt dreißig LKWS , zahlreiche Grundstücke, über dreißig Wohnungen. Kurzum, sein Kapital beläuft sich auf mehr als fünfundzwanzig Milliarden Lire. Natürlich ist nicht alles Eigentum auf ihn eingetragen (der arme Mann kann sich ja nicht um alles kümmern), sondern auch auf seine Frau und die Kinder. Doch eines schlimmen Tages beginnt sein Unglück. Wieder einmal ermitteln Staatsanwälte (nicht die beiden früheren, andere) hier und da und kommen zu dem Schluss, dass der Reichtum meiner Hauptfigur das Resultat illegaler Aktivitäten ist.
Diesmal bewahrt ihn kein willkommener Oberstaatsanwalt vor der Verhaftung, und so landet der arme Unternehmer im Gefängnis. Ob schuldig oder unschuldig, sei dahingestellt. In Sizilien gibt es eine viel sagende Redensart, die ich in meine Erzählung einbauen will. Sie lautet »ersoffen und dann noch vom Stein getroffen« und bedeutet Unglück über Unglück, man ertrinkt nicht nur, sondern wird obendrein auch noch gesteinigt. So trifft meinen Helden aus heiterem Himmel eine Maßnahme der Dienststelle für Vermögensabschöpfung, auf die hin sein ganzes Hab und Gut beschlagnahmt wird. Dies scheint mir der passende Augenblick, meiner Erzählung eine entschieden groteske Note zu verleihen, damit meine Leser etwas zum Schmunzeln haben. Was könnte ich mir ausdenken? Ah ja, da fällt mir schon was ein, auch wenn meine bescheidene Idee dem einen oder anderen konstruiert oder übertrieben erscheinen mag. Ich überlege mir, dass für die Einrichtung und den Betrieb einer Carabinieri-Station kein neues Gebäude errichtet werden kann und deshalb eines gemietet wird. Als der Gerichtsvollzieher darangeht, das Eigentum meines Helden zu beschlagnahmen, steht er irgendwann auch vor dem Carabinieri-Posten, denn das Gebäude gehört, zumindest zur Hälfte, dem Unternehmer, der im Gefängnis sitzt. Kurz, die Carabinieri oder wer auch immer trugen, ohne es zu wissen und natürlich ohne es zu wollen, mit ihrer monatlichen Miete dazu bei, dass sich das Vermögen meines Helden mehrte. Das ist alles. Eine hübsche Geschichte, wie ich finde, die ich beim Schreiben noch etwas ausschmücken werde, Hauptsache, der Handlungsstrang sitzt schon mal. Bloß habe ich mir die Geschichte nicht ausgedacht. Sie stand haargenau so in sizilianischen Zeitungen. Also fragen Sie mich bitte nicht mehr, wie ich mir meine Geschichten »ausdenke«. Ich denke sie mir nicht aus, ich modele sie höchstens um, bis sie nicht mehr als Zeitungsmeldung zu erkennen sind.
IN ITALIEN HABEN AUCH DETEKTIVE EINE SEELE
Amerikanische Polizisten, wie wir sie aus Büchern und Filmen kennen, sind im Allgemeinen knallharte, fiese Typen und schaffen es aus irgendeinem Grund nicht über den Lieutenant hinaus. Columbo steht da als Ausnahme allein auf weiter Flur. Die amerikanischen Polizeilieutenants sehen rot, sobald sich ein Privatdetektiv in die Ermittlungen einmischt, sie drohen ihm mit Gefängnis oder, im günstigsten Fall, mit dem Entzug seiner Lizenz. Fast würden sie lieber einen Privatdetektiv unter einem fadenscheinigen Vorwand auf den elektrischen Stuhl schicken als einen echten Mörder mit jeder Menge Beweisen und Gegenbeweisen. Eine Zusammenarbeit von Polizist und Privatdetektiv von der Art »eine Hand wäscht die andere« ist ausgesprochen rar.
Kann der bad Lieutenant (natürlich meine ich nicht Harvey Keitel oder Ferraras außergewöhnlichen Film) den Privatdetektiv nicht bedrohen oder verhaften, dann beleidigt er ihn. Und wie macht er das? Er nennt ihn Bettschnüffler und Spanner und reduziert die Nachforschungen des Detektivs damit auf ein Niveau, das sich in der Jagd auf Ehebrecher erschöpft. Wie aber sollen lammfromme Detektive in einer Welt wölfischer Lieutenants
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