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Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Titel: Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Schneesturm tobt. Unser kleiner Held überredet einen Priester, einen vom Glauben abgefallenen Alkoholiker, ihn zu begleiten. Sie bewältigen Gefahren aller Art (Wölfe, Eisbären, Yetis, Lawinen) und erreichen schließlich ihr Ziel. Der Alte gesteht den Diebstahl eines Blechnapfs nebst Essensration im Krieg von ’14-’18, der Priester findet zum Glauben zurück, und unser kleiner Held wird zum Chef-Pfadfinder befördert. Idealer Regisseur: Ermanno Olmi. Es gilt zu vermeiden, einen Film wie zu besten Sowjetzeiten zu drehen, vielmehr sollte man sich von Achille Beltrames Illustrationen in Domenica del Corriere und dem Piccolo alpino von Salvatore Gotta inspirieren lassen.
    Der Präsident gegen SPECTRE (Film für jedes Alter, Genre: Spionage/Abenteuer). Während einer heiklen Mission im Ausland entschlüpft dem Präsidenten die Bemerkung, er esse am liebsten Pasta von De Checcos, die ein Verräter von SPECTRE (Syndikat zur Protektion extremistischer Cannelloni-, Tortellini- und Raviolierzeuger) herstellt. Unter Narkose wird dem Präsidenten subkutan eine starke Miniwanze (ähnlich der, die man im Büro eines ehemaligen Präsidenten, allerdings eines Ministerpräsidenten, gefunden hat) eingepflanzt, die sogar Gedanken lesen kann. Um den Präsidenten aus der Abhängigkeit von De Checcos zu lösen, engagiert SPECTRE den knallharten John Barillas, der sich als barfüßiger Dominikaner verkleidet und … Das soll genug sein, man kann sich den Fortgang leicht vorstellen. Am Ende wechselt der Präsident, wieder frei und Herr seiner selbst, täglich die Nudelmarke. Regisseur: Perelli, der von Piovra. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Mafia nicht vorkommt.
    Pres und Pif (Film für jedes Alter, Genre: Zeichentrick). Der Ausgangspunkt ist folgender: Pres (der Präsident) hat festgestellt, dass er in heiklen Verhandlungen Oberwasser gewinnt, weil sich seine Gesprächspartner von einer Frage ablenken lassen: Pif (Pifùni, der Assistent von Pres) sitzt die Brille sehr schief auf der Nase, wird sie nun herunterfallen oder nicht? Ab da zieht das Duo virtuos sämtliche Register, um seine Gegner in die Bredouille zu bringen. Falls die Zeichner Tiere nehmen wollen, ist Pres ein alter Fuchs, Pif ein Tapir.
    Ich hätte noch drei weitere kleine Filmideen: Der Präsident und die Grünhemden (à la John Ford, versteht sich); Der Präsident und der schwarze Cavaliere (Genre: Mantel und Degen, spielt in den lombardischen Steppen) und schließlich Der Tornado (hier dringt eine Gruppe von Terroristinnen als Flamencotänzerinnen verkleidet in den Quirinalspalast ein. Doch da muss ich mich noch mit Leonardo Pieraccioni beraten).
    Mehr oder Besseres kann ich aus dem vorliegenden Stoff nicht machen.
    Ihr Andrea Camilleri

A LS DIE TOTEN NICHT MEHR NACH HAUSE FANDEN
    Bis 1943 wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. November jedem sizilianischen Haus, in dem ein Kind lebte, von vertrauten Toten ein Besuch abgestattet. Das waren wohlgemerkt keine Gespenster in weißen Leintüchern und mit klirrenden Ketten, also nicht die, vor denen man sich fürchten musste, sondern die bekannten Menschen von den Fotos im Wohnzimmer, die sich mit ihrem lächelnden Fotografiergesicht und dem kunstvoll gebügelten Sonntagsstaat in nichts von den Lebenden unterschieden. Bevor wir Kinder schlafen gingen, stellten wir einen Weidenkorb unters Bett (die Größe variierte je nach den finanziellen Möglichkeiten einer Familie); den füllten die lieben Verstorbenen nachts mit Süßigkeiten und Geschenken, die wir dann am 2. November beim Aufstehen fanden.
    Vor lauter Aufregung lagen wir schwitzend im Bett und konnten kaum einschlafen: Wir wollten sie sehen, unsere Toten, wenn sie auf Zehenspitzen ans Bett traten, uns streichelten, sich bückten und den Korb hervorholten. Nach einer unruhigen Nacht wachten wir im Morgengrauen auf und machten uns auf die Suche. Denn die Toten spielten gern mit uns, sie wollten, dass wir Spaß haben, und stellten deshalb den Korb nicht an seinen Platz zurück, sondern versteckten ihn sorgfältig, und wir mussten überall im Haus suchen. Nie wieder werde ich solches Herzklopfen haben wie damals, wenn ich bei der Schatzsuche den übervollen Korb auf einem Schrank oder hinter einer Tür entdeckte. Die Spielsachen waren kleine Züge aus Blech, kleine Holzautos, Stoffpuppen, hölzerne Würfel, die sich zu Landschaften zusammensetzen ließen. Ich war acht Jahre alt, als Großvater Giuseppe, den ich in meinen Gebeten lange angefleht hatte, mir den

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