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Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Titel: Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Geweih genommen zu werden, damit war man auf Lebenszeit disqualifiziert. Schließlich kam jemand angelaufen und versuchte ihm zu helfen. Nichts zu wollen. Noch mehr Leute kamen herbei, und endlich fand man eine echt amerikanische Lösung: Ein Lasso wurde Casper ums Geweih geschlungen, und er musste die Waffen strecken (im wahrsten Sinn des Wortes).
    Doch die Geschichte hat ein trauriges und, wie mir scheint, auch erzieherisches Nachspiel. Während James, als wäre nichts geschehen, wieder Weihnachtsmann spielte, zog der arme Casper die Konsequenzen aus dem Ereignis: Er hatte in einem Anfall von Eifersucht einen Mann angegriffen, war besiegt (wenn auch nur weil die anderen in der Überzahl gewesen waren) und entthront worden, er war also ein Verlierer und musste das Feld räumen. Er wurde krank und starb wenige Tage nach dem Vorfall an gebrochenem Herzen. Ein Muster an moralisch konsequentem Verhalten, im Gegensatz zu vielen Männern, die nicht nur den Kürzeren ziehen, sondern auch noch kühn behaupten, sie hätten gewonnen. Doch einmal abgesehen von dieser Geschichte – um die Weihnachtsmänner ist es heutzutage nicht gut bestellt. Nein, liebe Eltern, Sie dürfen sich keine falschen Hoffnungen machen, die Nachfrage der Kinder nach Geschenken lässt nicht nach, ganz im Gegenteil. Aber in den großen amerikanischen Einkaufszentren hält man es mittlerweile anscheinend für überflüssig, dass ein Weihnachtsmann Glöckchen schwingend vor den Schaufenstern auf und ab geht. Und wissen Sie, warum? Weil die amerikanischen Kinder nicht mehr wie früher einen Wunschzettel schreiben, sondern sich an den Computer setzen, aussuchen, was sie am liebsten haben möchten, es bestellen und von der Kreditkarte der Eltern abbuchen lassen. Von den Vereinigten Staaten entmachtet, hält sich der Weihnachtsmann noch in weniger computerisierten Breitengraden. Aber seine Tage sind sicher gezählt. Künftig wird man wohl nur noch in Lapplands Wäldern den ein oder anderen überlebenden Weihnachtsmann antreffen. Wie den Yeti, von dem ich allmählich glaube, dass er ein Vorfahr unseres Weihnachtsmannes ist.

NACHWORT
    Es wird vielfach vergessen, dass im Werk von Andrea Camilleri – neben den Romanen, die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in Sizilien spielen, neben den Kriminalromanen mit Commissario Salvo Montalbano, neben Essays über Pirandello, Schriften zu Theater und Fernsehen, zu Regie und Kino – auch die journalistischen Beiträge eine wichtige Rolle spielen. Von den wenigen Rezensionen und den Glossen zum Tagesgeschehen oder zu politischen Ereignissen einmal abgesehen, sind jene Beiträge besonders interessant, die zwischen den eigentlichen Erzählungen und Reportagen anzusiedeln sind. Diese Texte könnte man »Alltagsgeschichten« nennen: geschrieben von einem Geschichtenerzähler, der es versteht, von einem realen Ereignis auszugehen und sich dann auf die Pfade der Phantasie oder der nicht weniger faszinierenden autobiographischen Erinnerung zu begeben.
    Drei Tageszeitungen, für die Andrea Camilleri viel geschrieben hat, seit er als echte »literarische Entdeckung« gilt, veröffentlichten die zwischen 1997 und 1999 entstandenen »Alltagsgeschichten«: Il Messaggero (für den Camilleri von Juni 1997 bis August 1998 arbeitete), La Repubblica (mit etwa fünfzig Beiträgen in der sizilianischen Ausgabe zwischen Oktober 1997 und Januar 1999) und La Stampa (für die er seit Juni 1998 bis heute schreibt). Um diesem Schaffen Camilleris Rechnung zu tragen – die Geschichten sind weit mehr als »Eintagsglossen« und haben es verdient, in einem Band gesammelt zu werden –, entstand im Einvernehmen mit dem Verfasser die vorliegende Anthologie, die (für viele zum ersten Mal) einundzwanzig Feuilletons vorstellt. Nicht mit hineingenommen wurden Berichte und Erzählungen, die in den letzten Jahren ebenfalls in La Stampa erschienen sind, von den acht Episoden um den Zahlmeister Cecè Collura über La rivolta dei topi d’ufficio (28. Februar 1999, Die Revolte der Büromäuse) bis hin zu den Erzählungen, die im September 2000 unter dem Titel Storie di Vigàta e dintorni (Geschichten aus Vigàta und Umgebung) veröffentlicht wurden.
    Bei der Lektüre der Feuilletons ist deutlich zu spüren, was an anderer Stelle »die Berufung des Geschichtenerzählers« genannt wurde. Camilleri nimmt eine Meldung in den Medien oder einen bestimmten Kalendertag zum Anlass, um mit unerschöpflicher Phantasie oder in Erinnerung an eigene

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