Neuland
Nechama, und danach berichten sie, die Apfelernte im Kibbuz Manara werde wiederaufgenommen, und auch vom schrittweisen Abzug der Truppen und von den langen Schlangen von Leuten, die bei der polnischen Botschaft einen Pass beantragen –
Kann man am Jaffator überhaupt parken?, überlegt sich Inbar, und, als hätte Dori ihre Frage gehört – auf dieser persönlichen Frequenz, auf der nur sie beide seit ihrer Rückkehr senden –, ruft er an, ja, es ist seine Stimme; er fragt, ob er sie lotsen soll, und sie sagt, ein bisschen, versucht, nicht zu aufgeregt zu klingen, denn sie gehen ja nur zusammen einen Zettel in die Klagemauer stecken, mehr nicht. Ich weiß, wie ich hinkomme, aber ich hab vergessen, wo man da parken kann, sagt sie, und er erklärt – jetzt hört man in ihm den Lehrer –, bieg nach Rechavia links ab, und wenn du an Terra Sancta und am Unabhängigkeitspark vorbei bist, fährst du an der nächsten Ampel geradeaus weiter, auf die Stadtmauer zu, dann hast du links ein Parkhaus gegen Bezahlung, und sie sagt super (beherrscht sich, nicht zu sagen, ich hab mich nach dir gesehnt, beherrscht sich, nicht zu sagen, ich hab mich gestern von Ejtan getrennt). Er sagt noch: Wenn du dich verfährst, ruf mich an, ich bin schon hier am Jaffator, und sie bedankt sich und fährt nach seinen Anweisungen, parkt den Wagen, steigt aus dem Parkhaus viele Stufen hinauf und überquert eine Brücke, unter der ein Strom von Fahrzeugen fließt, und da sieht sie ihn schon neben dem Sesamkringelverkäufer, in Jeans und rotem T-Shirt und mit einer neuen Frisur; er winkt ihr sparsam zu, und sie hält sich zurück, nicht loszurennen, was gibt es da zu rennen, wir treffen uns, um einander wirklich loszulassen, so hat er doch geschrieben, und sie läuft ganz normal, als wollten sie einander loslassen, als hätten sie schon losgelassen, aber ihre Zehen strecken sich in den Schuhen nach ihm aus, vorwärts, mach schon, ruft der große Zeh, nur noch ein paar Meter –
Sie umarmen sich kurz. Enttäuschend. Inbar denkt, hier ist nicht Neuland, hier kennen ihn die Leute, deshalb diese Umarmung, und sagt mit zu aufgedrehter Stimme, du warst ja beim Friseur!, undstreckt mutig die Hand aus – warum muss immer sie die Mutige sein? – zu seinem Kopf, und er sagt, ja, und sie sagt, steht dir gut, und er errötet an seinem Adamsapfel und sagt, dir auch … ich meine … das ist die Mütze, die du getragen hast, als … ich meine … auch du siehst gut aus, und sie zieht sich ein bisschen die Bluse runter, für einen etwas großzügigeren Ausschnitt, und sagt, ja, Jerusalem tut mir gut, und er sagt, ein schöner Tag heute, während des Krieges hat die Luft hier nur gestanden, aber heute weht seit vier Uhr Wind, und sie sagt, in Tel Aviv ist es immer noch stickig, und fragt sich, seit wann reden wir denn übers Wetter, dort haben wir kein einziges Mal übers Wetter gesprochen, und er fragt, sollen wir los?, seine Stimme klingt etwas ungeduldig, als hätten sie etwas zu erledigen, vielleicht ist genau das seine innere Einstellung zu ihrem Treffen, noch eine Sache, die man abhaken muss, oder vielleicht ist er einfach so, nicht nur wenn er seinen Vater sucht, sondern immer, einfach entsetzlich pflichtbewusst. Das ist die Davidszitadelle, sagt er, zeigt nach rechts, und sie nickt, ja Dori, ich weiß, und er errötet wieder an seinem Adamsapfel und sagt, ja klar … es ist einfach … weil ich hier manchmal Gruppen führe, kann ich dir alles Mögliche zu den Dingen erzählen, die wir unterwegs sehen, und damit überspielen, dass ich furchtbar aufgeregt bin, dich zu sehen –
Wenn es das ist, lacht sie erleichtert, dann mach ruhig weiter – Sie gehen los, er erzählt ihr von Davids prächtigem Palast, vom armenischen Viertel, von der Art, wie die Stadtmauer gebaut wurde; sie lauscht mehr der Melodie seiner Stimme als dem, was er sagt, und nur ab und zu dringt eines seiner Worte in ihr Bewusstsein – Ich hab gar nicht gefragt, wie es deiner Großmutter geht. Nicht gut, erzählt sie. Morgen bringen wir sie in ein Heim. Ihr Haus in Haifa wurde von einer Grad-Rakete getroffen, es wird eine Weile dauern, bis man da wieder wohnen kann, und ich kann sie nicht länger in Tel Aviv beherbergen, denn ich ziehe aus. Wieso? Ich hab mich von Ejtan getrennt, sagt sie und fügt hinzu: Gestern. Dori macht einen tiefen Atemzug, als hätte sie ihm eine sehr unerfreuliche Botschaft überbracht, und fragt, wo schläfst du dann?Sie sagt, erst mal im Wohnzimmer auf dem
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