Neumond: Kriminalroman (German Edition)
hätte …«
»Und was war mit
ihm
? Wusste er, dass seine Affäre aufgeflogen war?«
»Ha!« Schwester Elvira verzog das Gesicht. »Mit dem hab ich gar nicht erst versucht zu reden. Der Klaus hasst mich wie die Pest. Der wetzt schon die Messer, wenn er mich bloß sieht. Ich bin so ziemlich die Letzte, von der er sich was sagen lässt.«
»Also haben Sie probiert, Frau Weigl ins Gewissen zu reden.«
»Genau. Ich habe sie vor ihrer Wohnung abgepasst und wollte ganz normal mit ihr reden, aber sie ist gleich total hysterisch geworden. Kein Wunder. Wenn ich den ganzen Tag nur an einem Salatblatt herumnibbeln würde, hätte ich auch schlechte Nerven.« Sie schnaubte. »Von der großen Liebe hat sie gefaselt und von einer gemeinsamen Zukunft. Da hatte ich fast Mitleid mit dem naiven Ding, denn der Klaus würde die Helga nie im Leben verlassen. Ihr gehört nämlich das Haus und der Laden – und darauf würde der Wicht nie und nimmer verzichten wollen.«
Morell nickte. »Verzwickte Lage.«
»Dabei hätte die Sabine doch so viele andere haben können. An Verehrern hat es ihr nicht gemangelt.« Sie starrte auf ihre Finger, an denen kein Ring steckte. »Die meisten Männer stehen auf die Dürren«, murmelte sie und stand auf. »Sie haben recht – in der Torte wohnt der Teufel«, sagte sie entschieden. »Und darum essen wir zwei jetzt grad extra noch ein Stück.«
23
Käthe Steinbichler starrte auf die Karten, die auf dem Tisch lagen, und sog die Luft scharf durch ihre Zähne ein. »Übel«, sagte sie und kniff die Augen zusammen. »Selten so eine unheilvolle Kombination gesehen. So viele Schatten.«
»Das ist nicht lustig.« Nina betrachtete die bunten Karten, die in keinster Weise bedrohlich aussahen, und stand auf. »Sie wollen mir doch nur Angst einjagen, damit Sie mir nachher irgendwelche Schutzzauber oder solchen Kram für teures Geld andrehen können.«
Steinbichler ignorierte Ninas Unterstellung, schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und legte noch eine Karte auf den Tisch. »Sie haben so viel Ärger am Hals, meine Liebe«, winkte sie ab, »da werde ich ausnahmsweise kein Geld von Ihnen nehmen. Freiwillige Spenden sind aber natürlich immer willkommen«, fügte sie hinzu.
Lustlos setzte Nina sich wieder hin. »Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet. War da noch wer im Wald?«
Steinbichler bedachte sie mit einem Blick, als hätte sie ein begriffsstutziges Kleinkind vor sich. »Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als Sie sich vorstellen können.«
»War also wer im Wald oder nicht?« Nina verlor langsam die Geduld. Es war, als würde sie gegen eine Wand reden.
»Meiden Sie den Wald, und meiden Sie auch das Sanatorium – dort oben herrschen seit kurzem ganz schlechte Schwingungen.« Steinbichler zeigte auf ein kristallenes Pendel, das auf dem Fensterbrett lag.
Nina schreckte auf und drehte sich um, als sie das Knarren von Schritten hinter sich vernahm. Völlig verdattert realisierte sie, dass niemand hinter ihr stand.
»Sie hören sie also auch«, lächelte Steinbichler. »Sie sind vielleicht doch nicht ganz so unempfänglich, wie ich erst gedacht hatte.« Sie lehnte sich über den Tisch und legte ihren krummen Zeigefinger auf die Stelle zwischen Ninas Augenbrauen. »Ja«, sagte sie. »Durchaus möglich, dass Sie hellsichtig sind.«
»Ich bin maximal kurzsichtig.« Nina, die es nicht leiden konnte, von fremden Menschen angefasst zu werden, nahm die Hand der Alten, schob sie weg und griff nach ihrer Tasse. »Zugig ist es hier drinnen.« Sie zeigte auf das kleine Teelicht im Stövchen, das wild flackerte. »Vielleicht sollten Sie die Fenster mal abdichten lassen.«
»Mit den Fenstern ist alles in Ordnung. Das war nur eine Seele, die gerade an uns vorbeigegangen ist. Sehen Sie.« Steinbichler deutete auf die kleine Kerze, die nun wieder ruhig leuchtete. »Schon wieder vorbei.«
Nina, die sich von Minute zu Minute unwohler fühlte, trank einen Schluck heißen Tee und nahm sich fest vor, sich wegen des Geredes der alten Kräuterhexe nicht zu gruseln.
»Sie haben doch tagtäglich mit den Toten zu tun. Sie sollten also an den kalten Hauch gewohnt sein, der einen berührt, wenn eine Seele an einem vorbeispaziert«, redete Steinbichler weiter.
»In der Leichenhalle ist es immer kalt«, konterte Nina und hielt abrupt inne. »Woher wissen Sie …?«
»Die haben es mir gesagt.« Steinbichler zuckte mit den Schultern, griff nach dem Pendel und ließ es über den Tarotkarten kreisen.
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