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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Psychologen. »Also, bis Mittwoch dann, Punkt neun Uhr dreißig im Sekretariat.« Er nickte ihr noch einmal geschäftsmäßig zu, dann riss er die Tür auf und marschierte aus dem Raum.
    »Ja, vielen Dank auch«, murmelte Anna und schob den Stuhl auf seinen Platz unter dem Tisch zurück. »Wenn hier einer auffällig ist, dann der, nämlich durch Inkompetenz, die zum Himmel schreit. Ich fasse es echt nicht, dass man so jemanden auf die Leute loslässt. Stell dir nur mal vor, du wärst durchgedreht und hättest tatsächlich seine Hilfe gebraucht.«
    Ich bin durchgedreht, dachte Jolin und folgte ihrer Freundin auf den Gang hinaus. Sie wusste, dass das jederzeit wieder passieren konnte, sie hatte allerdings den festen Vorsatz, es auf keinen Fall vor Verlassen des Schulgebäudes geschehen zu lassen.
    »Ich möchte wirklich wissen, was der mit aufgefallen meinte«, sagte sie. »Bisher hat mich kein einziger Lehrer wegen irgendwas angesprochen. Und sonst wüsste ich wirklich nicht …«
    »Ich auch nicht«, fiel Anna ihr ins Wort. »Und jetzt hör auf, darüber nachzudenken. Der Römer will sich garantiert nur wichtigmachen. So wie der benimmt sich doch kein Arzt, nicht mal ein Hobbypsychologe!« Sie wedelte vor ihrer Stirn herum. »Das kann ich ja besser. Sogar ohne Diplom!«
    Jolin spürte einen leichten Schwindel. Die Stimme ihrer Freundin rückte in weite Ferne und hörte sich an, als würde sie auf eine Wand aus Watte stoßen. Hastig fasste sie Anna unter und legte seufzend ihren Kopf auf deren Schulter. »Kannst du vielleicht für einen Moment still sein?«, murmelte sie. »Sonst flipp ich nämlich gleich noch mal aus.«

    Auf dem Weg zur U-Bahn-Station verlor sich das wattige Schwindelgefühl ziemlich rasch wieder. Die laue Luft und der Regen, der in dünnen Bindfäden aus einer mittlerweile gleichmäßig dichten grauen Wolkendecke fiel, taten Jolin gut. Sie verbot Anna sogar, ihren neuen türkisfarbenen Tupfenschirm über sie zu halten. Es war ihr egal, wenn sie sich erkältete. Alles, was dazu beitrug, sich ihres Körpers bewusst zu werden, und ihr das Gefühl vermittelte, geerdet zu sein, empfand Jolin als hilfreich. Es lenkte sie von den Schmerzen in ihrer Seele ab und ließ all die furchtbaren Dinge, die sich in den letzten Tagen ereignet hatten, fast ein wenig unwirklich erscheinen.
    Zum Glück war Anna feinfühlig genug, sie während des gesamten Heimwegs in Ruhe zu lassen. Doch kaum hatten sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen und festgestellt, dass weder Paula noch Gunnar zu Hause waren, prasselten ihre Fragen nur so auf Jolin ein.
    »Was ist mit Rouben passiert?« – »Was hat er gesagt?« – »Wieso wart ihr in der Bibliothek?« – »Hat er dir etwas getan?«
    »Nein, hat er nicht.« Jolin ließ ihre Umhängetasche zu Boden klatschen und setzte sich auf die Bettkante.
    »Was dann?«, bohrte Anna weiter und drückte die Zimmertür zu.
    »Kannst du bitte abschließen«, sagte Jolin. »Ich möchte nicht, dass meine Eltern, wenn sie heimkommen, einfach hereinplatzen.«
    »Klar.« Anna drehte den Schlüssel herum, dann ließ sie sich neben Jolin auf das Bett sinken und schlang ihr einen Arm um die Schulter. »Jetzt sag endlich, was los ist.«
    »Kannst du es dir nicht denken?«, fragte Jolin leise.
    »Nein!«
    »Dann erinnere dich doch bitte mal an die Zeit, als Rouben an unsere Schule gekommen ist.«
    Anna schüttelte unwillig den Kopf. »Jol, ich habe keine Lust auf Ratespielchen. Wenn ich dir helfen soll, dann rede bitte Klartext.«
    »Okay«, sagte Jolin, »ganz wie du willst. Dann bekommst du es jetzt eben auf die harte … ungefilterte … Art und Weise.« Mitten im Satz fing ihre Stimme an zu zittern, und sie brachte es auch nicht über sich, Anna anzusehen, sondern krallte sich wie ein kleines hilfloses Kind in deren Pulliärmel fest. »Rouben ist ein Vampir.«
    Für einen quälend langen Augenblick herrschte absolute Stille im Zimmer, und um nicht durchzudrehen, begann Jolin, die Sekunden zu zählen. Einundzwanzig … zweiundzwanzig … dreiundzwanzig … Bei dreiunddreißig fing Anna an zu lachen. Jolin verpasste ihr eine Ohrfeige, und die Stille, die dann folgte, war unendlich erholsam.
    »Das ist absoluter Unsinn«, sagte Anna, »und das weißt du auch.«
    Jolin nickte. »Es klingt wie absoluter Unsinn, und ich würde auf der Stelle mein Leben dafür geben, wenn es so wäre …«
    Anna hörte auf zu atmen. »Du würdest dein Leben dafür geben … Du würdest sterben, obwohl du

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