Neun Tage Koenigin
hier ist ein Roman.“
„Ein historischer Roman.“
Er nahm das nächste. „Das hier auch.“
„Es sind historische Romane.“
„Aber immer noch Romane.“
Er griff nach dem dritten Buch.
„Das hier wurde von einem sehr bekannten und angesehenen Historiker verfasst“, sagte ich.
Er deutete auf den Untertitel: „Es geht um die Auswirkungen der Regentschaft von Jane Grey auf die englische Reformation. Ich bezweifle doch sehr, dass darin viel über ihr Liebesleben zu finden sein wird.“
„Es gibt zwei ganze Kapitel über ihre Heiratsaussichten.“
„Und zweifellos darüber, wie sich diese auf die englische Reformation ausgewirkt haben. Ich glaube kaum, dass Sie darin etwas über einen Ring finden werden, und schon gar nicht über einen, der sonst nirgends erwähnt wird.“
Er griff nach dem vierten Buch. Ein sechshundert Seiten starkes Werk über die Tudors. „Das hier sieht tatsächlich aus wie ein gut geschriebenes Buch.“ Er studierte den Klappentext. „Das haben zwei Professoren aus Oxford geschrieben.“
„Sehen Sie? Ein wissenschaftliches Buch. Genau wie Sie gesagt haben.“
„Ja, aber von allen Herrschern aus dem Geschlecht der Tudors war Janes Regierungszeit die kürzeste.“
„Das weiß ich.“
„Hat sie in dem Buch überhaupt ein eigenes Kapitel?“
Ich stemmte empört die Hände in die Hüften. „Waren Sie bei Ihren Schülern eigentlich auch immer so ein Spielverderber, wenn die neue Ideen hatten?“
Er neigte den Kopf zur Seite. „Ich bin Historiker. Entweder ist etwas historisch oder es ist es eben nicht. Geschichte ist keine Wissenschaft, in der man eine Hypothese aufstellt und sich dann daranmacht, sie zu beweisen. Man beginnt mit historischen Quellen, man analysiert sie, und man hinterfragt das, wofür es keine Quelle gibt. So einfach ist das.“
Ich nahm ihm das Buch über die Tudors weg. „Ich weiß gar nicht, warum Sie so dagegen sind, Wilson.“
Er nahm seinen Hotdog wieder in die Hand. „Und ich verstehe nicht, warum Sie so dafür sind.“ Er deutete auf das letzte Buch, das auf meinem Stapel lag. „Das ist ein Buch übers Kanufahren.“
Ich nahm es von dem Stapel, während Stacy zu uns herüberkam. „Das ist für etwas anderes.“
„Wozu sind denn all die Bücher?“, erkundigte sich Stacy.
„Jane ist Wissenschaftlerin“, scherzte Wilson mit vollem Mund.
„Ach, Bücher über Lady Jane Grey. Wie cool!“ Stacy ignorierte Wilsons Kommentar und wandte sich an mich. „Hey, ich habe eine Antwort auf eine Mail von einem meiner Geschichtsprofessoren an der NYU bekommen. Na ja, also nicht direkt von ihm selbst, sondern von einem seiner Assistenten. Der hatte einmal eine Studentin, die ihre Doktorarbeit über die Frauen der Tudor-Dynastie geschrieben hat. Er hat sie letzten Herbst auf irgendeinem Symposium über irgendwas wiedergetroffen und sagt, sie hätte extra erwähnt, dass sie sich ausführlich mit dem Leben von Lady Jane Grey beschäftigt hätte.“
„Natürlich hat sie das. Schließlich gibt es ja auch nur drei Tudor-Königinnen, und Jane Grey ist eine davon.“ Wilson warf seine mit Ketchup beschmierte Serviette in den Mülleimer.
Stacy ließ sich nur einen kurzen Moment von Wilsons Einwurf abschrecken.
„Egal, jedenfalls hat er mir die E-Mail-Adresse der Frau gegeben. Ich wette, sie weiß, ob Jane Grey einen Ring geschenkt bekommen hat oder ob sie vielleicht einen Ring geschenkt bekommen haben könnte. “ Den letzten Teil des Satzes sagte sie in Wilsons Richtung und gab mir dabei einen Zettel, auf dem ein Name und eine E-Mail-Adresse standen.
Claire Abbot. Professorin an der Universität von New Hampshire.
New Hampshire.
„Der Typ hat gesagt, sie sei wirklich nett und sehr engagiert, was die Geschichte der Tudors angeht“, fuhr Stacy fort. „Und sie hat auch schon ein Kinderbuch über die Könige und Königinnen von England veröffentlicht.“
Darüber konnte Wilson nur lachen. „Ich frage mich, ob sie wohl Probleme gehabt hat, als es um die ganzen Illustrationen der vielen Enthauptungen ging.“
Als Stacy und ich darüber nicht lachten, murmelte er: „’tschuldigung.“
Wieder wandte sich Stacy mir zu. „Schreiben Sie ihr doch einfach eine E-Mail. Ich wette, sie würde mit Ihnen reden, wenn Sie andeuten, was Sie gefunden haben.“
In diesem Augenblick betrat eine Kundin den Laden, und Wilson erklärte sich nur zu gern bereit, sie zu bedienen, und ließ uns allein.
„Ich glaube, genau das werde ich auch tun“, sagte ich und
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