Neun Tage Koenigin
lebenswichtige Entscheidungen zu treffen, eher fremd war. Ich wollte einfach nur das letzte Schuljahr genießen.
Dann fragten sie mich, ob ich vorhätte, eines Tages zu heiraten und Kinder zu bekommen. Ich wurde rot und antwortete: „Ja, klar.“
„Dann solltest du vielleicht deine Idee, ins Hotelmanagement zu gehen, noch einmal überdenken“, hatte meine Mutter gesagt.
Damals, als ich siebzehn war, in meinem letzten Jahr zu Hause, träumte ich davon, ein Hotel zu führen. Ich wollte mein eigenes schickes Gästehaus auf Martha’s Vineyard haben und dort so leben, als ob immer Ferien wären. Dabei stellte ich mir Kyle an meiner Seite vor, wie er sich um alles Technische und Handwerkliche kümmerte. Er war ein echter Fachmann, wenn es um handwerkliche Dinge ging, und hatte schon bei Wettbewerben und Ausstellungen Preise für Holzbauprojekte gewonnen, die er selbst entworfen und dann auch umgesetzt hatte.
„Und warum?“, fragte ich auf den Einwand meiner Eltern hin.
„Weil du dann nie freihättest. Das bringt das Hotelgewerbe nun mal mit sich. Und die hektischste Zeit des Jahres, in der du am allermeisten zu tun hättest, wäre der Sommer, wenn deine Kinder keine Schule hätten. Du würdest sie also praktisch nie sehen, sie würden im Grunde ohne dich aufwachsen, und am Ende würdest du es schrecklich bereuen, Jane.“
„Du solltest dir wirklich überlegen, lieber Pädagogik zu studieren“, hatte mein Vater gesagt. „Du hast doch in allen Fächern hervorragende Noten, Jane. Du könntest ohne Weiteres Lehrerin werden, eine sehr gute sogar. Und dann hättest du im Sommer auch frei und könntest selbst nach ,Martha’s Vineyard‘ reisen und die Zeit mit deiner Familie genießen, statt von ihr getrennt zu sein.“
„Ja, wahrscheinlich hast du recht“, hatte ich darauf gesagt.
„Und triff bloß keine übereilten Entscheidungen, was das Heiraten angeht, Jane. Du bist doch noch so jung. So viel von dem, wie und wo du den Rest deines Lebens verbringst, hängt davon ab, wen du heiratest. Da gibt es so vieles zu bedenken. Mehr, als du glaubst.“
„Ich bin nicht … ich …“, aber ich war nicht in der Lage, den Satz zu beenden.
„Denke darüber nach, wo du in fünf Jahren sein möchtest und wo in zehn“, hatte mein Vater gesagt. „Glaub mir, die Entscheidungen, die du heute triffst, entscheiden darüber, wo du dann bist.“
Kyles Name fiel in diesem Gespräch kein einziges Mal, aber mein Koffer vom Urlaub mit seiner Familie in Maine stand noch offen und unausgepackt auf dem Boden meines Zimmers, und ich hatte von der Reise immer noch Mückenstiche an den Fußgelenken.
Meine Eltern wussten, dass Kyle nicht studieren wollte, sondern vorhatte, eine berufsbildende Schule zu besuchen, danach eine Weile als Freiwilliger in einem humanitären Hilfsprojekt in Afrika und Asien zu arbeiten und sich dann in irgendeinem Job im Baugewerbe in den Vereinigten Staaten niederzulassen. Sie waren sehr für Wohltätigkeit und wohltätiges Handeln, und sie unterstützten sogar Kyles Wunsch, ins Ausland zu gehen und dort an einem größeren Entwicklungshilfeprojekt mitzuarbeiten, aber mich konnten sie sich in einem solch abenteuerlichen Szenario absolut nicht vorstellen.
Später dann, nachdem ich Brad kennengelernt hatte, begriff ich langsam, dass sie sogar froh gewesen waren, als sich Kyle einen Monat vor unserem Schulabschluss für einen Einsatz in Kenia entschieden hatte.
Sie wünschten sich Kyle so weit wie nur möglich weg von mir.
Während des gesamten letzten Jahres an der Highschool, besonders in den faulen Wochen nach dem Abschluss – bevor ich nach Boston ging und Kyle nach Virginia –, ermutigten mich meine Eltern unterschwellig weiterhin, doch Kyle seinen Traum leben zu lassen und ihn nicht festzulegen oder Ansprüche an ihn zu stellen. Und ich solle doch auch meine eigene Zukunft und das Arbeitspensum, das ein Studium mit sich brächte, im Blick behalten.
In der Woche, bevor die Trennung anstand, holte mich Kyle am letzten Tag meines Ferienjobs im Laden von David Longmont ab. Zögerlich brachte ich die Sprache darauf, ob es nicht vielleicht gut sei, uns gegenseitig die Freiheit zu geben, in der Zeit unserer Trennung auch andere Männer beziehungsweise Frauen kennenzulernen.
„Möchtest du das denn?“, hatte er darauf zögerlich entgegnet.
„Meine Eltern halten es jedenfalls für eine gute Idee. Sie sagen, dass ich dich loslassen soll, damit du deinen Traum verwirklichen kannst. Und ich
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