Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
Besitzer zu verbergen suchen. Richtige Namen …«
    »Der Turing-Code ist nicht dein Name.«
    »Neuromancer«, sagte der Junge. Er schaute mit zusammengekniffenen, grauen Augen in die aufgehende Sonne. »Der Pfad ins Reich der Toten. Dorthin, wo du bist, mein Freund. Marie-France, meine Herrin, hat diesen Weg bereitet, aber ihr Herr und Gebieter hat sie erwürgt, bevor ich ihr Tagebuch lesen konnte. Neuro von den Nerven, den Silberpfaden. Romancer – der Phantast, der Träumer. Necromancer – der Geisterbeschwörer. Ich rufe die Toten. Aber nein, mein Freund.« Der Junge vollführte einen kleinen Tanz, stampfte mit braunen Füßen Abdrücke in den Sand. »Ich bin die Toten und ihr Reich.« Er lachte. Eine Möwe kreischte. »Bleib hier. Wenn dein Mädchen ein Spuk ist, dann weiß sie’s nicht. Und du auch nicht.«
    »Du gehst kaputt. Das Eis bricht.«

    »Nein«, sagte der Junge plötzlich traurig und ließ die schmächtigen Schultern hängen. Er scharrte mit dem Fuß im Sand. »Es ist viel einfacher. Aber die Entscheidung liegt bei dir.« Die grauen Augen betrachteten Case ernst. Eine neue Serie von Symbolen huschte Zeile für Zeile durch Cases Blickfeld. Dahinter flimmerte der Junge, als sähe man ihn durch die Luft über sommerlich heißem Asphalt. Die Musik war jetzt laut, und Case konnte fast den Text heraushören.
    »Case, Darling.« Linda berührte ihn an der Schulter.
    »Nein.« Er zog die Jacke aus und reichte sie ihr. »Ich weiß nicht«, sagte er, »vielleicht bist du wirklich hier. Jedenfalls wird’s kalt.«
    Er wandte sich um und ging davon, und nach dem siebten Schritt hatte er die Augen geschlossen und horchte auf die Musik, die sich im Zentrum aller Dinge artikulierte. Einmal blickte er zurück, ohne dabei jedoch die Augen zu öffnen.
    Das war auch nicht nötig.
    Sie standen am Rand des Meers. Linda Lee und das schmächtige Kind, das behauptete, Neuromancer zu heißen. Seine Lederjacke baumelte an ihrer Hand, geriet unten in die Brandung.
    Er ging weiter, folgte der Musik.
    Maelcums Zion-Dub.
     
    Ein grauer Ort, der Eindruck feiner Raster, die sich verschoben und ein Moiré erzeugten, abgestufte Farbtöne, von einem simplen Grafikprogramm generiert. Ein lang anhaltender Blick durch Maschendraht, Möwen starr über dunklem Wasser. Stimmen. Eine schwarze Spiegelfläche, die sich neigte, und er ein Quecksilbertropfen, der hinabkullerte, sich in einem unsichtbaren Labyrinth verfing, platzte, zusammenfloss und weiterglitt …
     
    »Case? Ey, Mann!«
    Die Musik.

    »Wieder da, Mann?«
    Die Musik wurde von seinen Ohren entfernt.
    »Wie lange?«, hörte er sich fragen. Sein Mund war sehr trocken.
    »Fünf Minuten vielleicht. Zu lang. Will den Stecker rausziehn, aber der Stumme sagt nein. Dann wird das Bild komisch, und der Stumme sagt, ich soll dir den Kopfhörer aufsetzen.«
    Case öffnete die Augen. Transparente Hieroglyphenzeilen überlagerten Maelcums Züge.
    »Un’ deine Medizin«, sagte Maelcum. »Zwei Derm.«
    Er lag am Bibliotheksboden unter dem Monitor auf dem Rücken. Der Zionit half ihm, sich aufzusetzen, aber bei der Bewegung schlug das Betaphenäthylamin voll zu. Die beiden blauen Derms an seinem linken Handgelenk brannten. »Überdosis«, brachte er hervor.
    »Komm schon, Mann!« Die starken Hände unter seinen Achseln zogen ihn hoch wie ein Kind. »Ich’n’ ich müssen gehn.«

22
    Der Servicewagen kreischte. Das Betaphenäthylamin verlieh ihm eine Stimme. Er blieb nicht mehr stehen. Weder in der vollgestopften Galerie noch in den langen Korridoren, auch nicht beim schwarzen Glasportal zur T-A-Krypta, dem Gewölbe, in dem die Kälte ganz allmählich in Ashpools Träume gesickert war.
    Die Fahrt war ein endloser Trip für Case, der die Bewegung des Wagens nicht von der irrsinnigen Wucht der Überdosis unterscheiden konnte. Als der Wagen schließlich den Geist aufgab – etwas unter dem Sitz segnete mit einem weißen Funkenregen das Zeitliche -, hörte das Kreischen auf.

    Die Karre rollte im Leerlauf weiter, bis sie drei Meter vor dem Eingang zu 3Janes Höhlenbehausung zum Stehen kam.
    »Wie weit noch, Mann?« Maelcum half ihm aus dem stotternden Wagen, als der eingebaute Feuerlöscher im Motorraum des Gefährts explodierte und gelbes Pulver aus den Luftschlitzen und Wartungsöffnungen quoll. Die Braun purzelte von der Rücklehne herunter und humpelte über den künstlichen Sand davon, wobei sie ein unbrauchbares Glied nachzog. »Jetz’ laufen, Mann.« Maelcum nahm Deck und Konstruktion

Weitere Kostenlose Bücher