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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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»Die Stärke deutet auf einen taktischen Nuklearsprengkopf hin, aber der elektromagnetische Impuls fehlte. Der Ort der Zerstörung ist unser Startpunkt.«
    Der weiße Schein verblasste und verschwand.
    »Kurs löschen«, sagte er.
    »Kurs gelöscht. Neues Ziel, bitte.«
    »Gute Frage«, sagte Turner. Er konnte den Kopf nicht drehen, um nach dem Mädchen hinter ihm zu schauen. Vielleicht war es schon tot.

15
    Kasten
    Marly träumte von Alain. Abenddämmerung auf einer Wildblumenwiese, und er wiegte ihren Kopf in seinen Armen, streichelte ihren Hals und brach ihn ihr dann. Sie lag reglos da, wusste jedoch, was er tat. Er bedeckte sie mit Küssen. Er nahm ihr Geld und die Schlüssel zu ihrem Zimmer. Die Sterne waren jetzt riesig, standen unbeweglich über den hellen Feldern, und noch immer spürte sie seine Hände an ihrem Hals …
    Sie erwachte im morgendlichen Kaffeeduft und sah die Quadrate aus Sonnenlicht, die über den Büchern auf Andreas Tisch lagen, hörte Andreas vertrautes morgendliches Husten, als sie sich eine erste Zigarette an der vorderen Flamme des Herdes anzündete. Sie schüttelte die düsteren Farben des Traums ab, setzte sich auf Andreas Couch auf und schlang die Arme um die dunkelrote Steppdecke über ihren Knien. Seit dem Rummel mit Gnass, der Polizei und den Reportern hatte sie nicht mehr von ihm geträumt. Wenn doch, so hatte sie solche Träume wohl zensiert und vor dem Erwachen ausgelöscht. Sie fröstelte, obwohl es schon warm war, und ging ins Bad. Sie wollte nicht mehr von Alain träumen.
    »Paco hat mir gesagt, dass Alain bei unserem Treffen bewaffnet war«, erzählte sie, als Andrea ihr den blauen Emaillebecher mit Kaffee reichte.
    »Alain bewaffnet?« Andrea teilte das Omelett und ließ die Hälfte auf Marlys Teller rutschen. »Komische Vorstellung. Als ob … als ob man einen Pinguin bewaffnen würde.« Sie lachten. »Alain ist nicht der Typ dazu«, sagte Andrea. »Er würde sich im Verlauf einer leidenschaftlichen Tirade über die Lage der Kunst oder die Höhe der Rechnung in den Fuß schießen. Alain ist ein Riesenarschloch, aber das wissen wir ja. Wenn ich du wäre, würde ich mir mal ein paar Gedanken über diesen Paco
machen. Wieso nimmst du ihm ab, dass er für Virek arbeitet?« Sie aß einen Bissen von ihrem Omelett und griff nach dem Salz.
    »Ich hab ihn gesehen. Er war in Vireks Konstrukt.«
    »Was du da gesehen hast, war nur ein Bild – das Bild eines Kindes, das diesem Mann bloß geähnelt hat.«
    Marly schaute zu, wie Andrea ihr halbes Omelett aß, während ihre eigene Hälfte auf dem Teller kalt wurde. Wie konnte sie es nur erklären, dieses Gefühl, das sie beim Verlassen des Louvre gehabt hatte? Die Überzeugung, von etwas umgeben zu sein, das sie mit Gelassenheit und Präzision überwachte; die sichere Ahnung, im Brennpunkt von Vireks Imperium – oder zumindest eines Teils davon – zu stehen. »Er ist sehr reich«, begann sie.
    »Virek?« Andrea legte Messer und Gabel auf den Teller und nahm den Kaffeebecher. »Das will ich wohl meinen. Wenn man der Presse glauben kann, ist er der reichste Mensch der Welt, Punkt. So reich wie manche Zaibatsus. Aber da wären wir auch schon bei dem Haken an der Sache: Ist er denn ein Mensch? In dem Sinn, wie du einer bist oder ich? Nein. Willst du das nicht essen?«
    Marly fing an, das erkaltende Omelett mechanisch zu zerteilen und auf die Gabel zu spießen, während Andrea fortfuhr: »Du solltest mal einen Blick in das Manuskript werfen, das wir diese Woche bearbeiten.« Marly zog fragend die Augenbrauen hoch, während sie kaute. »Es ist eine Geschichte der Industrie-Clans im Orbit. Ein Mann von der Universität in Nizza hat sie erstellt. Dein Virek kommt übrigens auch drin vor. Er wird als Gegenbeispiel zitiert, oder besser als Typus einer Parallelentwicklung. Den Mann aus Nizza interessiert das Paradoxon von individuellem Reichtum im Zeitalter der Konzerne, und er geht der Frage nach, warum es so was überhaupt noch gibt. Großen Reichtum, meine ich. Er betrachtet die Orbit-Clans,
Leute wie die Tessier-Ashpools, als eine sehr späte Variante traditioneller Formen der Aristokratie – spät deshalb, weil die von Großunternehmen geprägte Gesellschaftsstruktur eigentlich gar keine Aristokratie mehr zulässt.« Andrea stellte ihren Becher auf den Teller und trug den Teller zur Spüle. »Jetzt, wo ich den Inhalt so wiedergebe, finde ich’s eigentlich gar nicht mehr so interessant. Es enthält viel graue Theorie über die Natur des

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