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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Warum zu fragen; Rippenstöße und der Zeigefinger vor dem Mund waren alles, was er zur Antwort bekam. Sie plauderte über die derzeitige Mode, über Sport, über einen Politskandal in Kalifornien, von dem er noch nie was gehört hatte.
    Er sah sich in der menschenleeren Sackgasse um. Ein Bogen Zeitungspapier wirbelte über die Kreuzung. Anomale Winde in der East Side – hatte irgendwas mit vertikalen Luftströmungen und den überlappenden Kuppeln zu tun. Case spähte durchs Fenster zu der toten Leuchtreklame hinaus. Ihr Sprawl war nicht sein Sprawl, stellte er fest. Sie hatte ihn durch ein Dutzend Bars und Clubs geschleift, die er noch nie gesehen hatte, und sich dabei – für gewöhnlich nur mit einem kurzen Nicken – um ihre Geschäfte gekümmert. Kontakte gepflegt.
    Im Schatten hinter METRO HOLOGRAFIX bewegte sich etwas.
    Die Tür war aus Wellblech. Molly vollführte davor eine komplizierte Abfolge von Gesten, der er nicht folgen konnte. Er erkannte das Zeichen für Geld, das Aneinanderreihen von Daumen und Zeigefinger. Die Tür schwang nach innen auf, und sie ging vor ihm her in das muffige Innere. Sie standen in einer Schneise zwischen aufgetürmtem Plunder entlang der Wandregale zu beiden Seiten, in denen sich zerfallende Taschenbücher reihten. Der Krempel erweckte den Eindruck, als wäre er hier gewachsen; er wirkte wie eine Geschwulst aus verbeultem Metall und Plastik. Case konnte einzelne Gegenstände ausmachen, die jedoch gleich wieder in der Masse untergingen: das Innenleben eines Fernsehers, bestückt mit den Glasstümpfen von Vakuumröhren, so alt war er; eine zerbeulte Parabolantenne; einen braunen Glasfiberkanister voller rostiger Metallrohre. Ein riesiger Haufen alter Illustrierter hatte sich auf den freien Platz ergossen; das Fleisch vergangener Sommer starrte blind zu ihm herauf, als er Molly durch
eine enge Schlucht aus gepresstem Abfall folgte. Er hörte, wie die Tür hinter ihnen zufiel. Er blickte sich nicht um.
    Der Tunnel endete vor einer alten Army-Decke, die an einen Türrahmen genagelt war. Grelles Licht strömte heraus, als Molly sich hindurchschob.
    Vier kahle, rechteckige Wände aus weißem Kunststoff, eine entsprechende Decke, ein weiß gefliester Krankenhausboden mit einer rutschfesten Struktur aus kleinen, runden Noppen. In der Mitte ein viereckiger, weißgestrichener Holztisch und vier weiße Klappstühle.
    Der Mann, der nun blinzelnd in der Tür hinter ihnen stand, die Army-Decke wie ein Cape über die Schulter drapiert, schien im Windkanal konstruiert worden zu sein. Seine winzigen Ohren lagen flach am schmalen Schädel an, und die langen Vorderzähne, die in einem angedeuteten Lächeln zum Vorschein kamen, ragten spitz nach vorn. Er trug eine altertümliche Tweedjacke und hielt irgendeine Schusswaffe in der Linken. Er musterte sie, zwinkerte und ließ die Waffe in einer Jackentasche verschwinden. Er gab Case ein Zeichen und deutete auf eine weiße Plastikplatte, die neben dem Eingang lehnte. Case ging hin und sah, dass das Ding ein massives Paket von Schaltkreisen war, knapp einen Zentimeter dick. Er half dem Mann, es hochzuheben und in die Tür zu stellen. Flinke, nikotingelbe Finger sicherten es mit einem weißen Klettband. Ein versteckter Ventilator begann zu surren.
    »Die Zeit läuft«, sagte der Mann und richtete sich auf. »Du kennst den Preis, Molly.«
    »Wir brauchen einen Scan, Finne. Nach Implantaten.«
    »Dann geh rüber zwischen die Säulen. Stell dich auf die Markierung. Steh gerade. So ist’s gut. Jetzt langsam drehen, volle 360 Grad.« Case sah zu, wie sie sich zwischen den beiden wacklig aussehenden, mit Sensoren bestückten Säulen langsam
um die eigene Achse drehte. Der Mann zog einen kleinen Monitor aus der Tasche und warf einen kurzen Blick darauf. »Was Neues im Kopf, ja? Silizium mit einer Ummantelung aus pyrolytischem Kohlenstoff. Eine Uhr, stimmt’s? Bei deinen Linsen hab ich die gleiche Anzeige wie immer, isotrope Niedertemperaturkohlenstoffe. Bessere Biokompatibilität mit Pyrolyten, aber das ist ja wohl dein Bier. Bei deinen Krallen sieht’s genauso aus.«
    »Komm her, Case«, sagte sie. Er sah ein abgetretenes, schwarzes X auf dem weißen Boden. »Langsam drehen.«
    »Der Typ ist’ne Jungfrau.« Der Mann zuckte mit den Achseln. »Paar billige Zahnfüllungen, mehr nicht.«
    »Kannste auch Biomaterial checken?« Molly zog den Reißverschluss ihrer grünen Weste auf und nahm die dunkle Brille ab.
    »Sind wir hier vielleicht die Mayo? Rauf auf den

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