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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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was passiert ist.«
    »Woher weißt du, was ich antworten wollte?«
    »Ich kenne die Menschen. Ich hab viele gesehen, zu viele, verdammt nochmal. Besonders Typen wie dich. Es steht dir im Gesicht geschrieben, Mann, dass du ihm sagen wolltest, er kann dich mal kreuzweise.« Jammer richtete sich in seinem Bürosessel ein bisschen auf und verzog das Gesicht, als er dabei die Hand im Handtuch bewegte. »Wer ist diese Slide, von der er geredet hat? Ein Jockey?«
    »Jaylene Slide. Los Angeles. Spitzenfrau.«
    »Das war die, die Bobby entführt hat«, sagte Jammer. »Dann ist sie deinem Kumpel da eben am Telefon ja dicht auf den Fersen.«
    »Aber sie weiß es wahrscheinlich gar nicht.« »Mal sehen, ob sich da nicht was machen lässt. Hol den Jungen rein.«

31
    Stimmen
    »Ich geh jetzt mal lieber den alten Wig suchen«, sagte Jones. Marly beobachtete die Manipulatoren, wie hypnotisiert von ihren Bewegungen. Sie griffen in den Strudel hinein und lösten ihn damit zugleich aus, indem sie Dinge herausgriffen und wieder verwarfen; die verworfenen Objekte wirbelten davon, prallten gegen andere und gruppierten sich neu. Auf diese Weise wurde das Ganze beständig in langsamer, sanfter Bewegung gehalten.

    »Ich geh jetzt«, sagte er.
    »Was?«
    »Wig suchen. Könnte sein, dass er was unternimmt, wenn die Leute von Ihrem Boss auftauchen. Ich will nicht, dass ihm was zustößt, verstehen Sie?« Er schaute verlegen drein, als wäre es ihm ein bisschen peinlich.
    »Okay«, sagte sie, »ich komm schon klar. Ich schau hier zu.« Sie erinnerte sich an Wigs irren Blick, an den Wahnsinn, der ihr wie in Wellen entgegengebrandet war; sie erinnerte sich an den verschlagenen Ton seiner Stimme im Funkgerät der Sweet Jane . Warum war Jones nur so besorgt um den Mann? Aber dann überlegte sie, was es bedeutete, in diesem toten Kern von Tessier-Ashpool zu hausen. Alles Menschliche, alles Lebendige musste einem hier wohl sehr kostbar erscheinen … »Sie haben Recht«, sagte sie. »Gehen Sie ihn suchen.«
    Der Junge lächelte nervös, stieß sich ab und schwebte zu der Öffnung, wo das Seil verankert war. »Ich komme zurück«, versprach er. »Und merken Sie sich, wo wir Ihren Raumanzug gelassen haben.«
    Der Zylinder drehte sich surrend hin und her, die Manipulatoren zuckten hierhin und dorthin und vollendeten das neue Gedicht …
     
    Hinterher war sie sich nicht mehr sicher, ob die Stimmen real gewesen waren, aber schließlich verfestigte sich der Eindruck, dass sie zu einer jener Situationen gehört hatten, in denen real nur ein Begriff unter vielen war.
    Sie hatte ihre Jacke ausgezogen, weil die Luft in der Kuppel wärmer geworden zu sein schien, als würden die unaufhörlichen Aktivitäten der Arme Wärme erzeugen. Sie hatte die Jacke und die Tasche an eine Strebe neben dem Großbildschirm gehängt. Der Kasten war mittlerweile fast fertig, glaubte sie, obwohl er von den gepolsterten Klauen so rasch bewegt
wurde, dass es schwer zu erkennen war. Plötzlich schwebte er sich überschlagend davon, und sie hechtete instinktiv hinterher, erwischte ihn und purzelte mit ihrem Schatz in den Armen an den blitzenden Manipulatoren vorbei. Da sie nicht abbremsen konnte, prallte sie an die Kuppelwand gegenüber, schlug sich dabei heftig die Schulter an und zerriss sich die Bluse. Ohne den Kasten loszulassen, schwebte sie benommen davon und starrte durch die rechteckige Glasscheibe auf eine Landschaft aus alten braunen Landkarten und einem stumpfen Spiegelglas. Die kartographischen Meere waren herausgetrennt, so dass dort die abblätternden Spiegelflächen sichtbar wurden und die Landmassen auf trübem Silber zu treiben schienen … Sie blickte auf und sah gerade noch, wie ein glitzernder Arm den fliegenden Ärmel ihrer Brüsseler Jacke ergriff. Ihre Tasche, die einen halben Meter dahinter anmutig in der Luft hing, kam als Nächstes an die Reihe; ein Manipulator mit einem optischen Sensor und einem simplen Greifhaken schnappte sie sich.
    Marly beobachtete, wie ihre Sachen in den endlosen Reigen der Arme hineingezogen wurden. Minuten später wirbelte die Jacke wieder heraus. Offenbar waren saubere Rechtecke und Quadrate herausgeschnitten worden, und Marly musste lachen. Sie ließ den Kasten los.
    »Nur zu«, sagte sie. »Ich fühle mich geehrt.« Die Arme wirbelten blitzend umher, und sie hörte das Kreischen einer winzigen Säge.
    Ich fühle mich geehrt, ich fühle mich geehrt … Das Echo ihrer Stimme erzeugte in der Kuppel einen Klangteppich aus

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