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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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ein Netz von Elektroden auf der Stirn kleben; ein einzelnes schwarzes Kabel lief am Rand der Trage entlang. Slick folgte ihm zu dem dicken grauen Paket, das die auf den Aufbau montierten Geräte zu steuern schien. Simstim? Sah nicht danach aus. Irgendein Cyberspace-Gerät? Gentry wusste eine Menge über Cyberspace oder redete zumindest davon, hatte aber, soweit Slick sich erinnern konnte, noch nie etwas davon erwähnt, dass man ohnmächtig sein und trotzdem eingestöpselt bleiben konnte. Man ging in den Cyberspace, um irgendwas zu verhökern oder abzustauben. Troden auf, und da waren sie, alle Daten der Welt, dicht an dicht wie eine einzige riesige Neonstadt, so dass man rumziehen konnte und einen gewissem Zugang zu ihnen hatte – zumindest optisch, denn sonst war es zu kompliziert, sich an bestimmte Daten ranzupirschen, die man suchte. Ikonik nannte Gentry das.
    »Er bezahlt Kid?«
    »Ja«, sagte sie.
    »Wofür?«
    »Dass er ihn in dem Zustand hält. Und ihn versteckt.«
    »Vor wem?«
    »Weiß ich nicht. Hat er nicht gesagt.«
    In der darauf folgenden Stille konnte er den gleichmäßigen, rasselnden Atem des Mannes hören.

3
    Malibu
    Das Haus hatte einen bestimmten Geruch; schon immer hatte es den gehabt. Er kam vom Alter, von der Salzluft und der entropischen Natur teurer Häuser, die zu nah ans Meer gebaut sind. Vielleicht war er auch typisch für Häuser, die häufig für kurze Zeit unbewohnt waren, die auf- und zugemacht wurden, wenn ihre rastlosen Bewohner ankamen und abreisten. Sie stellte sich die Zimmer leer vor, stellte sich vor, wie auf dem Chrom in aller Stille Rostflecken erblühten und sich in abgelegenen Winkeln blasser Schimmel einrichtete. Als wollten sie diesen unabänderlichen Prozessen Tribut zollen, hatten die Architekten dem Rost in gewissem Maße Vorschub geleistet; das massive Stahlgeländer der Sonnenterrasse war von der Gischt mit den Jahren so weit zerfressen worden, dass es nur noch so dünn wie ein Handgelenk war.
    Das Haus kauerte wie seine Nachbarn auf alten Grundmauerresten, und bei ihren Strandspaziergängen entwickelte sie zuweilen archäologische Phantasien. Sie versuchte, sich eine Vergangenheit auszumalen, die zu dem Ort passte, mit anderen Häusern, anderen Stimmen. Begleitet wurde sie bei diesen Spaziergängen von einem bewaffneten, ferngesteuerten Dornier-Minihubschrauber, der von seinem unsichtbaren Dachhorst aufstieg, sobald sie von der Terrasse trat. Er konnte nahezu geräuschlos auf der Stelle schweben und war so programmiert, dass er ihr Blickfeld mied. Die Art, wie er ihr auf Schritt und Tritt folgte, hatte etwas Wehmütiges, als wäre er ein teures, aber nicht geschätztes Weihnachtsgeschenk.
    Sie wusste, dass Hilton Swift sie durch die Kameras des Dornier beobachtete. Sense/Net entging kaum etwas von dem, was im Strandhaus geschah; ihre Einsamkeit, die Woche ganz für sich allein, die sie verlangt hatte, stand unter ständiger Überwachung.

    Die Jahre in ihrem Beruf hatten ihr eine einzigartige Immunität gegen den Blick fremder Augen verliehen.
     
    Nachts schaltete sie manchmal die Scheinwerfer unterhalb der Terrasse ein und beleuchtete das hieroglyphische Possenspiel der großen grauen Sandflöhe. Die Terrasse selbst ließ sie dunkel, ebenso das nach unten versetzte Wohnzimmer dahinter. Sie setzte sich auf einen schlichten weißen Plastikstuhl und sah dem Brown’schen Tanz der Flöhe zu. Im grellen Scheinwerferlicht warfen sie winzige, kaum sichtbare Schatten, flüchtige Zacken im Sand.
    Das an- und abschwellende Rauschen des Meeres hüllte sie ein. Spät nachts, wenn sie im kleineren der beiden Gästezimmer schlief, schlich es sich in ihre Träume, aber nie in die Erinnerungen der Fremden, die sie heimsuchten.
    Sie hatte ihr Schlafzimmer instinktiv gewählt. Das große Schlafzimmer war mit altem Schmerz vermint.
    Die Ärzte in der Klinik hatten die chemische Zange angesetzt, um die Sucht von den Rezeptoren in ihrem Hirn abzutrennen.
     
    In der weißen Küche bereitete sie sich selbst ihre Mahlzeiten zu, taute Brot in der Mikrowelle auf, streute Schweizer Tütensuppe in blitzsaubere Edelstahltöpfe. Dabei wechselte sie langsam und lethargisch wieder in den namenlosen, aber zusehends vertrauteren Raum über, von dem sie das Designer-Dust so raffiniert isoliert hatte.
    »Nennt sich Leben«, sagte sie zu der weißen Arbeitsplatte. Und fragte sich, was die Hauspsychologen von Sense/Net davon halten würden, falls ein verstecktes Mikro ihre Worte aufschnappte und an

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