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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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identischer
Hotelfassaden, einen Stand von Fahrrad-Rikschas, die regennassen, glänzenden Fronten einer Reihe kleiner Shops. Und Menschen, Massen von Menschen, wie im Zentrum von Cleveland, aber alle voll aufgedreht, mit einem Gehabe, als hätten sie alles im Griff und wüssten genau, wohin sie wollten. Lass dich einfach treiben, dachte sie. Das Wiz gab ihr einen zusätzlichen, angenehmen Kick, schubste sie in den Strom gutaussehender Menschen, ohne dass sie weiter nachdenken musste. Sie stöckelte in ihren neuen Schuhen dahin und hielt sich das Fax über den Kopf, bis sie merkte – das Glück blieb ihr hold -, dass es nicht mehr regnete.
    Sie hätte nichts dagegen gehabt, einen eingehenderen Blick in die Schaufenster zu werfen, an denen die Masse sie vorbeitrug, aber es war so angenehm, sich einfach treiben zu lassen, und niemand sonst blieb stehen. So begnügte sie sich mit kurzen Seitenblicken auf die Auslagen. Die Klamotten waren wie die Klamotten im Stim, teilweise zumindest. Moden, die sie sonst noch nirgends gesehen hatte.
    Hier hätte ich sein sollen, dachte sie, gleich von Anfang an. Nicht auf einer Welsfarm, nicht in Cleveland, nicht in Florida. Das hier ist alles echt, hier kann jeder herkommen. Man braucht kein Stim, um das zu erleben. Dabei hatte sie das hier – die Welt der normalen Menschen – noch nie in einem Stim gesehen. Ein Star wie Angie hatte hier nichts verloren. Angie verbrachte ihre Zeit mit den anderen Stim-Stars in Prunkschlössern, nicht hier unten. Aber es war wirklich wunderschön, das nächtliche Lichtermeer, die vielen Menschen um sie herum, und all die tollen Sachen, die man mit ein bisschen Glück kriegen konnte.
    Eddy, der mochte das nicht. Jedenfalls hatte er sich immer darüber ausgelassen, wie beschissen es hier sei, das ewige Gedränge, zu hohe Mieten, zu viele Bullen, zu viel Konkurrenz. Trotzdem hatte er keine Sekunde gezögert, als Prior mit seinem
Angebot kam, rief sie sich ins Gedächtnis. Und außerdem hatte sie ihre eigene Meinung dazu, warum Eddy so schlecht auf die Stadt zu sprechen war. Wahrscheinlich hatte er hier irgendeinen Bock geschossen, einen dicken Wilson gebaut. Entweder wollte er nicht daran erinnert werden, oder aber es gab Leute, die ihn ganz bestimmt daran erinnern würden, wenn er sich wieder hier blicken ließ. Es kam irgendwie in der grantigen Art zum Ausdruck, wie er über den Ort sprach – wie über jeden, der ihm erklärte, seine Gaunereien liefen nicht. Der neue Kumpel, am ersten Abend noch ein verdammt schlauer Bursche, war am nächsten nur noch ein Super-Wilson, dumm wie Brot und ohne jeden Weitblick .
    Vorbei an einem Laden mit erstklassigen Stim-Geräten in mattschwarzer, aufs Nötigste reduzierter Optik im Fenster. Darüber das prächtige Holo von Angie, die sie mit ihrem leicht wehmütigen Lächeln alle an sich vorbeitreiben sah. Die Königin der Nacht, jawohl.
    Der Menschenstrom ergoss sich auf einen runden Platz, in den vier Straßen mündeten, die um einen Brunnen geführt wurden. Und weil Mona eigentlich kein Ziel hatte, blieb sie dort hängen, denn die Leute um sie her scherten in verschiedene Richtungen aus, ohne innezuhalten. Nun, auf dem kreisrunden Platz waren auch Menschen. Ein paar saßen auf dem rissigen Beton um den Brunnen herum. In der Mitte stand eine Statue aus Marmor, blankgescheuert und mit abgewetzten Kanten. So was wie ein Baby auf einem großen Fisch, einem Delphin. Anscheinend spie der Delphin Wasser, wenn der Brunnen arbeitete, aber im Moment war er nicht in Betrieb. Hinter den Köpfen der Sitzenden sah sie zerknülltes, vollgesogenes Faxpapier und weiße Styroporbecher im Wasser.
    Dann schien die Menge hinter ihr zu einer geschwungenen, dahingleitenden Menschenmauer verschmolzen zu sein, und
die drei Leute, die vor ihr auf dem Brunnenrand saßen, sprangen ins Bild. Eine Dicke mit schwarzgefärbten Haaren, halb offenem Mund, der sich scheinbar nicht schließen ließ, und aus einem roten, rückenfreien Gummi-Top quellenden Titten. Eine Blondine mit langem Gesicht und schmalem blauem Lippenstiftstrich, die Hand wie eine Kralle, aus der eine Zigarette wuchs. Ein Typ, dessen eingeölte Arme trotz der Kälte bloß waren, mit steinharten, laborgezüchteten Muskelpaketen unter der künstlichen Bräune und den miesen Knast-Tattoos …
    »Ey, Kleine«, kreischte die Dicke mit einer Art boshaftem Vergnügen, »komm bloß nicht auf die Idee, dass du hier deine Runde drehn kannst!«
    Die Blondine sah Mona mit ihren müden Augen

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