Neuromancer-Trilogie
Umgang hast, Case.«
»Keine Sorge«, sagte Case und stellte den Kragen seiner Jacke hoch, »wir beschaffen dem armen Schwein’ne neue Bauchspeicheldrüse oder so.«
Sobald sie den Basar betreten hatten, hob sich die Laune des Finnen merklich, als ob er sich in dem dichten Menschengewühl und der Enge geborgen fühlte.
Sie gingen mit dem Armenier eine breite Straße unter rußfleckigen Plastikplanen und grünlackiertem Schmiedeeisen aus dem Zeitalter der Dampfmaschinen entlang. Tausend Leuchtreklamen zuckten und flackerten.
»Du liebes bisschen«, sagte der Finne und nahm Case beim Arm. »Sieh mal, da!« Er zeigte hin. »Ein Pferd, Mann! Haste schon mal’n Pferd gesehn?«
Case betrachtete das präparierte Tier und schüttelte den Kopf. Es stand auf einer Art Podest am Eingang einer Tierhandlung, wo Vögel und Affen feilgeboten wurden. Die Beine des Pferds waren von den Berührungen vieler Hände im Laufe der Jahrzehnte schwarz und haarlos geworden. »Hab mal eins in Maryland gesehn«, sagte der Finne, »und das war gut drei Jahre nach der großen Epidemie. Paar Araber versuchen immer noch, sie aus der DNS zu rekonstruieren, aber die Viecher kratzen immer gleich wieder ab.«
Die braunen Glasaugen des Pferdes schienen ihnen zu folgen, als sie an ihm vorbeigingen. Terzibashjian führte sie in ein Café im Zentrum des Basars, einen niedrigen Raum, der aussah, als wäre er seit Jahrhunderten ununterbrochen in Betrieb. Magere junge Burschen in schmutzigen weißen Jacken schlängelten sich zwischen den überfüllten Tischen hindurch und balancierten Flaschen mit türkischem Tuborg und winzige Teegläser auf blechernen Tabletts.
Case kaufte am Stand bei der Tür eine Schachtel Yeheyuan. Der Armenier murmelte etwas in seinen Sanyo. »Kommt«, sagte er. »Er ist unterwegs. Jede Nacht er fährt durch den Tünel zum Basar und kauft seine Mischung bei Ali. Eure Freundin ist in der Nähe. Kommt!«
Die Gasse war alt, zu alt. Die Mauern waren aus dunklem, behauenem Stein, und das holprige Pflaster stank nach dem ausgelaufenen Benzin von hundert Jahren, das sich im alten Kalkstein festgesetzt hatte. »Ich seh rein gar nichts«, flüsterte Case dem Finnen zu. »Damit kommt unser Schätzchen schon klar«, erwiderte der Finne. »Still«, sagte Terzibashjian zu laut.
Holz knarrte auf Stein oder Beton. Zehn Meter weiter vorn in der Gasse fiel ein gelber Lichtkeil aufs nasse Pflaster, wurde breiter. Jemand trat heraus, und die Tür ging knarzend zu. Es wurde wieder dunkel in der engen Gasse. Case fröstelte.
»Jetzt«, sagte Terzibashjian, und ein gleißend heller Lichtstrahl vom Dach des gegenüberliegenden Gebäudes ließ die schlanke Gestalt neben der alten Holztür erstarren. Funkelnde Augen schossen nach links und rechts, dann sackte der Mann zusammen. Case dachte, jemand hätte ihn niedergeschossen; er lag mit dem Gesicht nach unten da, sein blondes Haar zeichnete sich hell gegen das alte Pflaster ab, und die schlaffen Hände wirkten blass und mitleiderregend.
Der Lichtstrahl bewegte sich keinen Millimeter.
Am Rücken des Gestürzten wölbte sich der Jackettstoff hoch und platzte auf; Blut spritzte auf Wand und Tür. Zwei unwahrscheinlich lange, sehnige Arme reckten sich pink-grau ins grelle Licht. Das Ding schien sich selber durch den leblosen, blutbesudelten, entstellten Riviera hindurch aus dem Boden zu ziehen. Es war zwei Meter hoch, stand auf zwei Beinen und schien keinen Kopf zu haben. Dann drehte es sich langsam zu ihnen um, und Case sah, dass es doch einen Kopf, aber keinen Hals besaß. In dem Gesicht fehlten die Augen, und die Haut schimmerte rosigschleimig wie Gedärm. Der Mund, falls es denn einer war, war rund, konisch und flach, mit einem wüsten Gestrüpp von Haaren oder Borsten drum herum, die wie schwarzes Chrom glitzerten. Das Wesen stieß den kläglichen Haufen aus Kleidung und Fleisch beiseite und trat einen Schritt vor. Der Mund schien ihre Witterung aufnehmen zu wollen.
Terzibashjian sagte etwas auf Griechisch oder Türkisch und warf sich dem Ding entgegen, die Arme vorgestreckt, als wollte er durch ein Fenster hechten. Er rannte hindurch – und ins Mündungsfeuer einer Pistole im Dunkeln hinter dem Lichtkegel. Steinsplitter flogen Case um die Ohren; der Finne riss ihn in die Hocke herunter.
Der Scheinwerfer auf dem Dach erlosch. Nachbilder von Mündungsfeuer, Monster und gleitendem Licht schwirrten Case wild durcheinander im Kopf herum. Ihm dröhnten die Ohren.
Dann ging der
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