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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wegtreten.« Er senkte seinen Blick wieder auf seine Unterlagen.
    »Darf ich auch wegtreten?«, fragte Caulder. Sein Ton war spöttisch, als lege er es darauf an, den Sergeanten zu einer Antwort zu provozieren.
    »Da du kein Kadett bist, kann ich dir weder befehlen wegzutreten noch hierzubleiben.« Der Sergeant hob nicht einmal den Blick von seinen Papieren. Er griff nach einer Feder und machte eine Notiz. Ich merkte plötzlich, dass ich immer noch dort stand und die beiden beobachtete, worauf ich forsch auf dem Absatz kehrtmachte und ging.
    Leichtfüßig stieg ich die blankgebohnerten hölzernen Stufen hinauf, vorbei an den offenen Zimmern auf dem zweiten und dem dritten Treppenabsatz, bis zum vierten und letzten Stockwerk. Dort gelangte ich in einen kargen Raum mit hohen Fenstern, der mit einem Kamin und mehreren langen Tischen mit geradlehnigen Stühlen au s gestattet war. Das Studierzimmer, entschied ich. Ich ging zu den Fenstern und schaute nach draußen. Es war b e zaubernd, sich in einer solchen Höhe zu befinden. Wege führten in alle Richtungen von den Wohnhäusern in der Mitte durch das gärtnerisch gestaltete Anwesen zu den diversen Unterrichtsgebäuden, den Stallungen, den Ko p peln und dem Exerzierplatz. Hinter dem Exerzierplatz sah ich die Zielscheiben eines Schießstandes und dahi n ter das mit Buschwerk bestandene Ufer des Flusses. Vom gegenüberliegenden Fenster konnte ich die Akademiek a pelle mit ihrem hohen Glockenturm, das weiß getünchte Krankenrevier, die Mauer des Akademiegeländes und noch weiter dahinter den Stadtrand von Alt-Thares sehen. Dunst hing über der Stadt. Ich fand die Aussicht wunde r bar. Später würde ich feststellen, dass diese Räume als die am wenigsten reizvollen in Haus Carneston galten. Im Sommer waren sie drückend schwül und im Winter eiskalt, ganz zu schweigen davon, dass man mehrmals am Tag sämtliche Stockwerke rauf und runter rennen musste. Die Bewohner des vierten Stocks bildeten u n weigerlich das Ende der Schlange vor der Essensausgabe. Für den Moment aber war meine Provinzlerseele en t zückt von meiner luftigen neuen Unterkunft.
    Nachdem ich mich sattgesehen und orientiert hatte, ging ich zur ersten Tür links von der Treppe. Sie stand leicht offen; trotzdem wollte ich nicht eintreten, ohne zuvor zu klopfen. Niemand antwortete, aber als ich die Tür vollends aufmachte, sah ich einen großen, schlanken Jungen mit pechschwarzem Haar, der ausgestreckt auf seinem Bett lag und mich amüsiert betrachtete. Ein and e rer Junge, dieser mit blondem Haar, das ebenso kurz g e stutzt war wie meines, musterte mich über den Rand e i nes Buches hinweg.
    »Gute Manieren!«, bemerkte er in einem Ton, den man durchaus s pöttisch hätte nennen können. Doch schon im nächsten Moment sprang er auf und streckte mir die Hand entgegen. Das Buch, in dem er gelesen ha t te, baumelte an seiner linken Hand; einen Finger hatte er als Lesezeichen zwischen die Seiten gesteckt. »Ich bin Natred Verlaney. Schön, dass unsere restlichen Stube n genossen langsam eintrudeln. Ich bin schon seit drei T a gen hier. Mein Vater meinte, es sei immer besser, frü h zeitig zu kommen.«
    »Nevare Burvelle«, stellte ich mich vor und schlug ein. Meine Hand verschwand fast in seiner Pranke, und er war einen halben Kopf größer als ich. Der andere Ju n ge stand ebenfalls auf und wartete, bis er an der Reihe war. Seine Augen waren ebenso pechschwarz wie sein Haar, seine Haut war grobporig und dunkel. »Ich freue mich, hier zu sein«, sagte ich. »Mein Vater hielt es ebe n falls für besser, dass ich einen oder zwei Tage früher ei n treffe als zu spät.«
    »Natürlich. Korts Vater hat ihm das Gleiche erzählt. Was hast du anderes erwartet? Die Soldatensöhne von Soldatensöhnen sind vor allem Soldaten und erst in zwe i ter Linie Söhne.«
    Das war eine alte Redensart, aber sie brachte mich immer noch zum Grinsen. Allein an einem fremden Ort, war ich froh, jemanden ein Sprichwort äußern zu hören, mit dem ich großgeworden war. Schon fühlte ich mich ein bisschen weniger fehl am Platze. »Nun, dann mach ich wohl am besten das, was Sergeant Rufet mir vorg e schlagen hat, und packe meinen Koffer aus.«
    Kort ließ ein freundlich schnaubendes Lachen hören. »Da wirst du nicht lange für brauchen. Das meiste von dem, was da drin ist, wird drin bleiben müssen. Hier ist dein Spind.« Er ging zur Wand und öffnete einen schm a len Schrank. Am Boden war Platz für ein Paar Stiefel, und oben passten zwei

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