Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
zusätzliche Garnituren Kleidung hinein. Darüber war ein kleines Regal. Als Kort seinen eigenen Spind öffnete, sah ich, dass er seine Rasiers a chen und sein Waschzeug dort untergebracht hatte.
Ich tat es ihm nach, und dann zeigte er mir meinen Haken am Garderobenständer und den Regalplatz, der mir für meine Bücher zugewiesen war. Das war alles. Ich schaute in den Koffer auf all die kleinen tröstlichen Di n ge, die meine Mutter und meine Schwestern so treuso r gend für mich eingepackt hatten: den liebevoll gehäke l ten Pullover, den bunten Schal, die Süßigkeiten und all die anderen kleinen Dinge, die mir die Stube ein bisschen heimeliger hätten machen können. Die meisten davon t at ich beiseite, mit Ausnahme des Zuckerwerks, das ich auf den Tisch legte, damit sich auch die anderen davon b e dienen konnten. Mein Gebetbuch, Dewaras Stein und mein neues Tagebuch stellte ich ins Regal zu meinen B ü chern. Dann klappte ich widerwillig den Deckel des Ko f fers zu, zurrte den Gurt fest und wuchtete ihn mir auf die Schulter, um ihn nach unten in den Abstellraum zu bri n gen.
Kort begleitete mich, gleichermaßen aus Kamera d schaft wie um mir den Weg zu zeigen. Er schien ein br a ver Bursche zu sein, einer, der oft und gern lächelte, aber dabei nicht geschwätzig war. Vom Quartiermeister b e kam ich eine Garnitur Leinenbettwäsche, ein sehr flaches Kissen und zwei grüne Wolldecken. Als wir auf unsere Stube zurückkehrten, sahen wir, dass auch unser vierter Stubengenosse inzwischen eingetroffen war. Spink K e ster war klein und drahtig wie ein Wiesel und hatte leuc h tend blaue Augen, die in seinem dunkel gebräunten Gesicht fast wie Fremdkörper wirkten. Er drückte mir fest und allzu hastig die Hand; ich vermutete, dass er ein wenig nervös war, weil er der Letzte war, aber wir halfen ihm, sich einzurichten und seinen verbeulten Koffer nach unten zu bringen. Von uns vieren war er am ärmlichsten ausgestattet. Erst als ich mir das bewusst machte, erkan n te ich zugleich auch, dass ich am besten ausgestattet war. Meine Uniformen und Bücher waren neu und von bester Qualität. Korts Kleider waren ebenfalls neu, aber seine Bücher sahen aus wie aus zweiter Hand. Bei Natred war es andersherum: Seine Bücher waren unbenutzt, aber ich konnte sehen, dass seine Uniform auf seine Größe hin geändert worden war. Spinks Uniform war offenbar g e kürzt und enger gemacht worden, damit sie ihm passte, und seine Bücher waren zerlesen und schmuddelig. Doch an seiner Kleidung, seiner äußerlichen Gepflegtheit und an der sorgfältigen Art, wie er mit seinen wenigen Ha b seligkeiten umging, erkannte ich sowohl eine gute Ki n derstube als auch eine gute Ausbildung. Wenn überhaupt, weckte sein offenkundiger Mangel an Wohlstand in mir umso mehr den Wunsch, mich mit ihm anzufreunden.
Wir setzten uns alle vier auf unsere Betten und lernten einander kennen. Ich erfuhr, dass Kort und Natred sich schon kannten, seit sie klein waren, und dass sie einander oft besucht hatten. Auch sie waren Söhne neuen Adels. Ihre Väter hatten dem kargen und harten Boden der Flachlande ihre Güter mit ihrer Hände Arbeit abgerungen hatten. Sie waren zusammen angereist, und aller Wah r scheinlichkeit nach würden beide d ie Schwester des a n deren heiraten, eine Aussicht, die beide nicht weiter zu schrecken schien.
Spink hingegen, dessen richtiger Name Spinrek laut e te, war näher an der Grenze als jeder andere von uns au f gewachsen. Sein Familiengut lag tief im Südosten, und er hatte die erste Etappe seiner Reise hierher auf dem Rü c ken eines Maultieres zurückgelegt, am Rande der Roten Wüste entlang. Er und sein Begleiter hatten einer Rä u berbande die Stirn geboten. Sie hatten einen Mann get ö tet und, wie Spink glaubte, zwei weitere verwundet, b e vor die Banditen vor der vermeintlich leichten Beute die Flucht ergriffen hatten. Spink konnte gut Geschichten erzählen. Dabei wirkte er überhaupt nicht prahlerisch, denn er sprach seinem Mentor, Leutnant Geeverman, der ihn begleitete hatte, das ganze Verdienst zu, die Räuber verjagt zu haben.
Er war gerade mit seiner Geschichte fertig geworden, als mein Vater die Stube betrat. Ganz automatisch spra n gen wir alle auf. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und maß uns dann alle nacheinander mit e i nem kritischen Blick. Aus irgendeinem Grund brachte ich kein Wort heraus. Schließlich lächelte mein Vater und nickte beifällig. »Ich freue mich, dich in solcher G e sellschaft zu
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