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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich darin, sich von uns bedienen zu lassen. Unsere Gruppe wichste Stiefel, schleppte Brennholz und wienerte endlos Holz oder Messing für die älteren Kadetten. Sie fanden Wege, um uns wirklich alles an freier Zeit zu stehlen, was wir uns von unserem ohnehin vollen Programm abzwicken konnten. Kadettenoffiziere aus dem dritten Jahr hatten die Autorität, uns Strafrunden aufzubrummen, und sie machten davon ausgiebig Gebrauch.
    Die endlosen Strafrunden, die wir drehen mussten, raubten uns einen großen Teil unserer Lern- und Schl a fenszeit. Ich hatte nie das Gefühl, mich einmal wirklich ausruhen zu können, und wachte morgens oft genauso müde auf, wie ich es beim Zubettgehen gewesen war. Als ich eines Morgens Lehm, Blätter und einen Stein in me i nem Bettzeug fand, hielt ich es zuerst für einen neuerl i chen Streich und fragte mich nicht nur, wie man ihn mir hatte spielen können, ohne dass ich etwas davon gemerkt hatte, sondern auch, wieso man sich ausgerechnet mich dafür ausgesucht hatte. Einige Nächte später erhielt ich die Antwort. Ich schoss aus einem Traum hoch, an de s sen Inhalt ich mich nicht erinnern konnte, und fühlte Se r geant Rufets Hand auf meinem Arm. Er sprach mit u n gewöhnlich sanfter Stimme, als er sagte: »Ganz ruhig, Kadett, ganz ruhig. Es ist nichts passiert. Sie wandeln im Schlaf, Kadett, und das können wir natürlich nicht zula s sen.«
    Am ganzen Leibe zitternd holte ich tief Luft und schaute mich verdutzt um. Ich war im Nachthemd und stand in dem kleinen Waldstück am hinteren Ende des Paradeplatzes. Ich schaute auf den Sergeant, und er gri n ste mich in dem schwachen Lampenschein an, der vom leeren Paradeplatz herüberfiel. »Sind Sie jetzt wach? Gut. Dann sag ich Ihnen jetzt, dass dies bereits das dritte Mal ist, dass ich Sie des Nachts hier herumgeistern sehe. Beim ersten Mal dachte ich, es war irgendein idiotischer Befehl, den Sie bekommen hätten, und ließ Sie laufen. Beim zweiten Mal war ich entschlossen, dem ein Ende zu machen, aber plötzlich drehten Sie sich um und gingen zurück in ihr Bett. Ich hätte Sie auch dieses Mal laufen lassen, aber Sie waren auf dem Weg zum Flussufer. Das liegt nicht weit hinter dieser kleinen Baumgruppe. Einen ertrunkenen Kadetten können wir uns nicht leisten.«
    »Danke, Sergeant«, murmelte ich. Ich war desorie n tiert und verwirrt, sowohl von der freundlichen Art des ansonsten so bärbeißigen Sergeants als auch von der b e unruhigenden Tatsache, dass ich draußen aufgewacht war, so weit weg von meinem Bett.
    »Keine Ursache, mein Junge. Ich sehe das öfter, als Sie vielleicht denken, besonders in den ersten Monaten. Sind Sie zu Hause auch im Schlaf gewandelt?«
    Ich schüttelte stumm den Kopf und besann mich dann meiner Manieren. »Nein, Sir. Nicht, dass ich wüsste.«
    Der Sergeant kratzte sich den Kopf. »Nun ja, wah r scheinlich wird es bald von selbst wieder aufhören. Sollte es aber zu schlimm werden, binden Sie sich einfach nachts mit der Hand am Bettpfosten fest. Ich hatte erst einen Kadetten, der das machen musste, aber es hat gut funktioniert. Er ist aufgewacht, als er sein Bett hinter sich her zog.«
    »Jawohl, Sir. Danke, Sir.« Der Traum, der mich g e fangen genommen und nach draußen getrieben hatte, schien am Rande meines Bewusstseins zu verharren, wie ein Nebel, der mich sofort wieder einhüllen würde, s o bald er die Möglichkeit dazu hatte. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen, aber ich schämte mich zugleich auch, dass ich in meinem Nachthemd herumlief, und dies umso mehr, weil der Sergeant mich hatte retten müssen.
    »Nun machen Sie sich mal keine Sorgen, Kadett«, sagte er, als habe er meine Gedanken gelesen. »Dies ist keine Disziplinarsache. Es bleibt unter uns. Und ich glaube auch nicht, dass es von Dauer ist. Der Druck der ersten paar Monate löst das bei manchen Kadetten aus. Wenn die Initiation vorbei ist, werden Sie bestimmt wi e der tief und fest die ganze Nacht in Ihrem eigenen Bett durchschlafen.«
    Inzwischen schritten wir die Stufen von Haus Carn e ston hinauf.
    Meine Füße schmerzten von dem groben Kies, und ich war nass bis zu den Knien von dem hohen Gras, durch das ich gegangen war. Ich stieg die Treppe hinauf und legte mich wieder in mein Bett, dankbar für seine wohl i ge Wärme, aber auch mit einem seltsamen Gefühl des Bedauerns wegen des abgebrochenen Traumes. Ich kon n te mich an nichts davon erinnern, aber ein Gefühl der Freude und des Staunens hallte noch immer wie ein fe r nes Echo durch

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