Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
schmeißen, nur weil wir nicht vom alten Adel absta m men!« Spink war schockiert und wütend.
Trist stand auf, groß und schlank wie er war, und streckte sich lässig. »Du wiederholst dich, Spinky. Aber Tatsache ist nun einmal, dass er es kann, ob ungerecht oder nicht. Du solltest also besser zusehen, dass du i r gendeinen Weg findest, der es ein bisschen unwah r scheinlicher macht, dass es dich trifft. Das hat mein V a ter mir geraten. Freunde dich mit den richtigen Leuten an. Zeig die richtige Einstellung. Und stifte vor allem keine Unruhe. Oder lass dich wenigstens nicht mit Unr u hestiftern sehen. Und noch was: Ständig zu jammern, dies oder das sei ›nicht gerecht, wird dir bei Oberst Stiet keine Sympathien einbringen.« Er rollte mit den Schu l tern, und ich hörte, wie sein Rückgrat knackte. »Ich geh jetzt schlafen, Kinder«, teilte er uns mit einem schelm i schen Grinsen mit. Ich mochte Trist, aber sein überleg e nes Getue ärgerte mich in dem Moment. »Ich muss mo r gen früh aus den Federn, wie ihr wisst.«
»Das müssen wir alle«, bemerkte Rory trocken.
Wir verließen die behagliche Wärme des Kamins und begaben uns in u nsere kalten Stuben. Ich sprach mein Nachtgebet und ging ins Bett, konnte aber nicht einschl a fen. Spink schien ebenfalls von Schlaflosigkeit geplagt, denn er flüsterte in die Dunkelheit: »Was wird aus uns, wenn wir von der Akademie nach Hause geschickt we r den?«
Ich war überrascht, dass er das nicht wusste. »Du bist ein Soldatensohn. Du wirst gemeiner Soldat und gibst dann eben beim Fußvolk dein Bestes.«
»Oder, wenn du Glück hast, kauft dir irgendein reicher Verwandter ein Offizierspatent, und du wirst am Ende doch Offizier«, sprach Nate in Spinks bedrücktes Schweigen hinein.
»Ich habe keine reichen Verwandten. Zumindest ke i ne, die mich mögen.«
»Ich auch nicht«, sagte Kort. »Also sollten wir jetzt wohl besser schlafen und morgen fleißig lernen. Mir g e fällt die Vorstellung nicht, für den Rest meines Lebens marschieren zu müssen.«
Wir schliefen alle mit diesem Gedanken ein, aber ich glaube, ich lag länger wach als die anderen. Spinks Fam i lie hatte kein Geld, um ihm ein Offizierpatent zu kaufen, falls er von der Akademie flog. Mein Vater ja, vielleicht. Aber würde er es tun? Er hatte nie beabsichtigt, dass ich Zeuge seiner Zweifel an meinen Führungsfähigkeiten würde – und damit daran, dass ich das Zeug zum Offizier hatte. Aber seit ich erfahren hatte, dass er diese Zweifel hegte, war mir meine einst strahlende Zukunft ein bis s chen weniger glanzvoll erschienen. Insgeheim hatte ich mich immer mit dem Gedanken getröstet, dass mein A b schluss an der Akademie mir zumindest den Rang eines Leutnants garantierte, und sowohl mein Vater als auch Sergeant Duril hatten immer gesagt, dass selbst der idi o tischste Leutnant es zum Hauptmann bringen konnte, und sei es durch pure Beharrlichkeit. Aber was würde passi e ren, wenn ich nun tatsächlich ausgesondert werden sol l te? Würde mein Vater mich nach einem solchen Sche i tern noch der Kosten eines Offizierspatents für würdig erachten? Die Posten in den besten Regimentern waren sehr teuer, und selbst in den weniger begehrten Regime n tern waren sie alles andere als billig. Würde er finden, dass ich das Geld wert sei, das er dafür würde aufwenden müssen, oder würde er es als gutes Geld betrachten, das er schlechtem hinterherwarf, und mich einer freudlosen Existenz als gemeiner Soldat überantworten? Seit ich alt genug war, um zu begreifen, dass ich ein zweitgebor e ner Sohn war und damit vom gütigen Gott dazu b e stimmt, Soldat zu werden, hatte ich meine Zukunft i m mer als gesichert angesehen. An meinem achtzehnten Geburtstag hatte ich geglaubt, sie mit Händen greifen zu können.
Jetzt wurde ich mir der Gefahr bewusst, dass diese goldene Zukunft sich als unerreichbar erweisen konnte, und nicht einmal durch meine eigene Schuld, sondern aus rein tagespolitischen Gründen. Vor meinem Eintritt in die Akademie hatte ich mir über die Vorurteile, auf die ich als zweitgeborener Sohn neuen Adels stoßen konnte, kaum Gedanken gemacht. Während meiner Ausbildung bei Sergeant Duril waren mir diese Vorurteile als etwas erschienen, das ich durch gute Leistungen und guten Wi l len leicht würde überwinden können.
Ich war kurz vor dem Einschlafen. Ich glaube, ich d ö ste bereits. Da empfand ich plötzlich einen Stich der En t rüstung. Ich setzte mich im Dunkeln auf. Wie von fern hörte ich mich
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