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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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herausrücken, schlugen wir alle unsere Bücher zu und ließen unsere Lernstunde am Nachmittag des Siebttages Lernstunde sein, um hinunter auf den Paradeplatz zu stürmen.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Paradeplatzes sahen wir zu unserer Empörung unser geliebtes braunes Pferd mit dem Kopf nach unten an der Fahnenstange von Haus Bringham wehen, ein ganzes Stück unter seiner eigenen Flagge. Die Fahnenstange wurde von den Erstjährlern von Haus Bringham bewacht. Als sie uns aus der Tür bersten sahen wie einen aufgescheuchten Bi e nenschwarm, brüllten sie, wir sollten nur kommen, dann werde man ja sehen, welches Haus das bessere sei. Die Zweitjährler von Haus Bringham standen auf der Treppe und feuerten sie an.
    Ich glaube, die Oberklässler hatten das Temperament der Erstjährler von Haus Carneston unterschätzt. Oder vielleicht auch nicht. Wir stürzten uns ins Getümmel, Rory vorneweg, brüllend wie ein wütender Stier. Ich hö r te, wie jemand hinter mir schrie: »Vorkämpfer! Ihr müsst Vorkämpfer aus euren Reihen wählen, die für eure Hä u ser kämpfen!« Aber wenn das der Plan gewesen war, dann hatte uns das niemand vorher erklärt, und jetzt war es dafür zu spät. Die Erstjahreskadetten von Haus Carn e ston brachen mit bloßen Händen in die Reihen der Erstjährler von Haus Bringham ein. Wir glaubten, für die Ehre unserer Häuser zu kämpfen. In Wahrheit hatten die Zweitjährler beide Häuser in diese Auseinandersetzung gehetzt, um ihren Spaß daran zu haben, wie wir uns g e genseitig verdroschen. Sie brüllten und feuerten uns an und beschimpften uns von der Seitenlinie. Wir nahmen sie kaum wahr. Zuerst war es nur eine Rangelei und ein wildes Geschubse, während wir versuchten, zum Fa h nenmast durchzubrechen, um unsere Flagge zurückzuh o len. Doch dann begannen plötzlich die Fäuste zu fliegen. Ich weiß nicht, wer als Erster damit anfing. Haus Brin g ham beschuldigte unsere Kadetten, und wir beschuldi g ten ihre. Ich glaube, die ganze Frustration, die sich bei uns Erstjährlern während der vorausgegangenen sechs Wochen aufgestaut hatte, brach jetzt plötzlich auf wie eine geschwollene Eiterbeule.
    Wir von Haus Carneston waren zu zwölft. Haus Bringham konnte nur mit acht Erstjährlern aufwarten, doch als ihre Zweitjährler sahen, dass wir die Oberhand gewannen, mischten sich mehr von ihnen ein, als zum Ausgleich des Kräfteverhältnisses erforderlich gewesen wäre. Dennoch konnten sie uns nicht aufhalten. Die me i sten von uns waren vom harten Leben an der Grenze g e stählt, während die Erstjährler von Haus Bringham ve r weichlichte Stadtjungen waren. Gord kämpfte trotz se i ner Leibesfülle mitten im Getümmel und keilte mit hoc h rotem Gesicht wie mit Windmühlenflügeln um sich. Ich sah, wie drei Bringham-Kadetten versuchten, ihn zu Fall zu bringen, aber er zog einfach den Kopf zwischen die Schultern und pflügte sich unbeirrt weiter durch das G e wühl Richtung Flaggenmast. Trist war auch jetzt der B e ste von uns: Er kämpfte, als stünde er im Ring, teilte pr ä zise Haken und Geraden aus und wich geschickt den wi l den Schwingern seines Gegners aus. Insgesamt prügelten sich vielleicht fünfundzwanzig von uns am Fuße des Fahnenmastes, aber in diesem Moment kam es mir vor, als wären es Hunderte. Ich kämpfte weder mit der Raff i nesse noch mit den sparsamen Bewegungen eines Trist. Ich raufte mich, schubste meine Gegner weg, trat einem, der auf mich losging, die Beine unter dem Hintern weg und warf einen anderen über die Schulter, als er mir auf den Rücken sprang. Er landete unglücklich, und es kü m merte mich nicht. Ich stieg über ihn hinweg und boxte und schubste mich wieder ein Stück näher an den Fa h nenmast heran.
    Ich weiß nicht einmal, wer den Mast schließlich als Erster erreichte und unsere Flagge einholte. Ihre kam ebenfalls herunter, und wir rissen sie schadenfroh an uns. Als nunmehr stolze Besitzer beider Flaggen ließen wir uns über den Paradeplatz zurückfallen, und wir wollten uns gerade auf den Weg zu unserem Haus machen, als plötzlich Drittjährler zu Pferde, angeführt von den Serg e anten aller vier Häuser, auf den Paradeplatz gesprengt kamen. Die Sergeanten griffen rigoros durch. Sie stießen und schubsten uns Kadetten beiseite, als wären wir Ki n der. Nachdem sie uns grob voneinander getrennt hatten, ritten die Drittjährler auf ihren Pferden zwischen uns. Wir standen da, ungeordnet, schwer atmend, hin und her gerissen zwischen Entsetzen und

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