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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gute Idee. Wenn wir bis zum Befehl, die Tische abz u räumen, nicht fertig waren, mussten wir bis zum Abend Kohldampf schieben. Nach und nach nahm auch die and e ren ihr Besteck auf und begann zu essen. Mein Hunger, der noch wenige Minuten zuvor so heftig gew e sen war, schien sich verflüchtigt zu haben. Ich aß nur deshalb, weil ich wusste, dass es töricht gewesen wäre, es nicht zu tun.
    Dent ließ den Blick von einem zum anderen schweifen und kam wahrscheinlich zu dem Schluss, dass wir hinre i chend eingeschüchtert waren. Er führte gerade einen Lö f fel Suppe zum Mund, als Spink mich hochschrecken ließ, indem er sagte: »Unteroffizier Dent, ich kann mich nicht erinnern, dass irgendeiner von uns sich über Sie lustig gemacht hat. Wir haben uns lediglich über eine Beme r kung gefreut, die Kadett Trist gemacht hat, aber Sie glauben doch bestimmt nicht, dass Sie die Zielscheibe irgendwelcher Witze unter uns sind?« Spinks Gesicht war ernst und ohne Falsch, als er seine Frage stellte. Di e ser Ernst traf Unteroffizier Dent unvorbereitet. Er starrte Spink an, und ich konnte buchstäblich sehen, wie er seine Erinnerung durchforstete, um die Beleidigung zu finden, die er für sich geltend gemacht hatte.
    »Sie haben gelacht«, sagte er schließlich. »Und das hat mich gekränkt. Das genügt.«
    In dem Moment geschah etwas Bemerkenswertes. Spink und Trist wechselten einen Blick. Fast hätte ich Dent in diesem Moment bedauert, denn mir war plötzlich klar, dass er ungewollt ein kurzfristiges Bündnis zw i schen den beiden Rivalen geschmiedet hatte. Trist ergriff das Wort, und seine Ernsthaftigkeit war fast so überze u gend, wie es die von Spink gewesen war. »Verzeihung, Herr Unteroffizier. Ich bin sicher, dass wir uns alle von jetzt an darum bemühen werden, uns unser Lachen für die Momente aufzusparen, in denen Sie nicht anwesend sind.« Er ließ den Blick über die Runde schweifen, wä h rend er sprach, und wir alle schafften es, ernst und mit deutlich sichtbarer Aufrichtigkeit zu nicken. Es war, als wären wir plötzlich durch eine Kette der Entschlosse n heit miteinander verbunden gewesen. Ganz gleich, was sonst auch passieren würde, v on nun an würden wir fest gegen Dent zusammenhalten. Er belohnte unsere Tä u schung, indem er feierlich nickte und sagte: »So sollte es auch sein, Kadetten«, ohne zu merken, dass es uns damit die Erlaubnis gegeben hatten, uns hinter seinem Rücken über ihn lustig zu machen.
    Dieser Gedanke tröstete mich, während unsere ganze Gruppe an jenem Abend gemeinschaftlich ihre Strafru n den drehte. Er hielt mich sogar im Laufe der darauffo l genden Tage aufrecht. Wir waren alle zu müde gewesen, um unsere Hausaufgaben mit der gebotenen Sorgfalt zu machen, mit dem Ergebnis, dass wir von unseren Lehrern tüchtig ausgeschimpft wurden und besonders umfangre i che Strafarbeiten aufgebrummt bekamen. Die Ungerec h tigkeit, unter der wir alle zu leiden hatten, schien uns z u sammenzuschweißen, und wir behaupteten uns zäh gegen alle Versuche von Unteroffizier Dent, uns kleinzukri e gen.
    Doch leider ging der Zusammenhalt nicht so weit, wie ich gehofft hatte. Gegen Dent mochten wir zwar wie ein Mann stehen, aber Spink und Trist rieben sich immer noch aneinander. Sie forderten einander selten direkt he r aus; der Unterschied zeigte sich jetzt klar erkennbar an der Art und Weise, wie sie Gord behandelten.
    Gord half Spink weiterhin in Mathe und gewann dafür als Lohn einen treuen Freund in ihm. Spinks Noten w a ren nicht überragend, aber sie reichten zur Versetzung. Wir alle wussten, dass Spink ohne Gords Hilfe schon längst auf Bewährung gesetzt, wenn nicht gar von der Akademie verwiesen worden wäre. Gord war sehr gro ß zügig mit der Zeit, die er Spink widmete, und die meisten von uns bewunderten ihn dafür. Aber nach Dents A n schuldigungen bezüglich Gords Geburt begann Trist Gord auf eine hinterhältige Art zu piesacken. So fing er an, Gords Mathenachhilfestunden für Spink als »Kat e chismus-Lektionen« zu bezeichnen. Gelegentlich nannte er Gord auch spöttisch »unseren guten Diakon«, ein Spitzname, der sich in unserer Gruppe rasch durchsetzte. Ich glaube, Spink und ich waren die Einzigen, die ihn niemals spaßeshalber »Diakon Gord« nannten. Obe r flächlich betrachtet war es nur eine Anspielung auf Gords Rolle als freiwilliger Nachhilfelehrer von Spink, unte r schwellig aber sollte es wahrscheinlich ein Hinweis da r auf sein, dass Gord in Wahrheit zum Priester geboren war

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