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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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herauszuwachsen, und spross nun in widerborst i gen Büscheln auf seinem Kopf. Er sah aus wie ein Str a ßenköter, der einen Windhund anknurrt. Wir anderen standen mit weit aufgerissenen Augen und in bangem Schweigen da.
    Gords Dazwischentreten überraschte uns alle. »Lass es gut sein, Spink«, riet er seinem Freund. »Das ist es nicht wert. Oder willst du es drauf anlegen, dass sie dich von der Akademie schmeißen?«
    Spink wandte den Blick nicht von Trist ab, während er erwiderte: »Du kannst dich meinetwegen weiter beleid i gen lassen, Gord, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht verstehe, dass du den Dreck, den sie nach dir we r fen, auch noch frisst. Ich aber habe nicht vor zu lächeln, wenn er mich beleidigt.« Ich erschrak über die unte r drückte Wut in seiner Stimme. Mir wurde klar, dass Spink genauso wütend auf Gord war wie auf Trist. Trists ätzender Spott über Gords Fettleibigkeit und Gords We i gerung, darauf zu reagieren, nagten an Spinks freun d schaftlichen Gefühlen gegenüber Gord.
    Gords Stimme klang ruhig, als er Spink antwortete: »Bei den meisten von ihnen ist es nicht böse gemeint, so, wie wir es ja auch nicht böse meinen, wenn wir Rory ›Kadett Bauerntrampel‹ nennen oder uns über Nevares Dialekt lustig machen. Und bei denen, die mir damit e i nen Stich versetzen wollen, werde ich durch nichts, was ich sagen oder tun könnte, i rgendetwas bewirken. Ich halte mich in dieser Frage an die Regel meines Vaters über das Verhalten gegenüber Vorgesetzten. Er hat zu mir gesagt: ›Finde heraus, welche Unteroffiziere führen und welche von hinten treiben. Belohne die Führer, ign o riere die Drängler. Sie werden sich selbst fertigmachen, ganz ohne dein Dazutun.‹ Setz dich hin und mach deine Hausaufgaben fertig. Je eher du sitzt, desto früher ko m men wir alle ins Bett, und desto klarer werden wir mo r gen früh im Kopf sein.« Er richtete seinen Blick auf Trist. »Und du auch.«
    Trist setzte sich nicht. Stattdessen klappte er mit einem verächtlichen Fingerschnippen sein Buch zu. »Ich habe zu arbeiten. Und offensichtlich ist es mir nicht vergönnt, das an diesem Tisch in Ruhe zu tun. Du bist ein Trampel, Spink, einer, der viel Lärm um nichts macht. Vielleicht erinnerst du dich mal daran, dass du derjenige warst, der Tintenfässer herumgeschubst, mit dem Tisch gewackelt und gequatscht hat. Ich wollte und will nichts weiter, als endlich meine Hausaufgaben fertig zu kriegen.«
    Spinks Körper wurde starr vor Wut. Und dann wurde ich Zeuge einer bemerkenswerten Demonstration von Selbstbeherrschung. Er schloss für einen Moment die Augen, holte tief Luft und ließ die Schultern sinken. »Ich habe nicht dein Tintenfass angestoßen, mit dem Tisch gewackelt und gesprochen, um dich zu ärgern. Es g e schah unbeabsichtigt. Aber ich sehe, dass dich diese Handlungen offenbar irritiert haben. Ich entschuldige mich dafür.« Als er zu Ende gesprochen hatte, war seine Körperhaltung schon wieder etwas lockerer.
    Ich glaube, wir alle seufzten erleichtert auf, während wir darauf warteten, dass Trist sich ebenfalls entschuldi g te. Gefühlsregungen, die ich nicht benennen konnte, fla c kerten auf dem Gesicht des hübschen Kadetten auf, und ich glaube, er rang heftig mit sich, doch das Ergebnis dieses inneren Ringens war nicht hübsch. Sein Mund verzerrte sich zu einem höhnischen Grinsen. »Genau das, was ich von dir erwartet habe, Spink. Eine weinerliche Entschuldigung, die niemandem weiterhilft.« Er packte seine Sachen zusammen, und ich glaubte schon, er würde den Raum verlassen. Er wandte sich auch in der Tat zum Gehen, doch im letzten Moment drehte er sich um. »Und das ist die Quittung für alles«, sagte er ganz ruhig, und mit einem eleganten Schnippen seiner manikürten Finger kippte er das Tintenfass um, und zwar so, dass der Inhalt nicht nur über Spinks Rechenaufgabe, sondern auch über sein Buch lief.
    Gord richtete das Tintenfass reaktionsschnell wieder auf und nahm es vom Tisch herunter. Das war auch gut so, denn im nächsten Moment flogen Bücher, Blätter, Stifte, Federn und Stühle durch den Raum – Spink setzte mit zwei Riesenschritten über den Tisch und stürzte sich auf Trist. Es war mehr der Schwung als das Gewicht des kleinen Kadetten, der sie beide zu Boden riss, direkt vor dem Kamin. Ein wildes Gewälze und Geringe entbran n te. Wir bildeten einen Kreis um sie, aber es gab keine Anfeuerungsrufe wie sonst, wenn zwei Männer im Kreise ihrer Kameraden miteinander kämpfen.

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