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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ich glaube, jeder von uns, die wir dastanden und zuschauten, wusste, dass hier und jetzt eine Entscheidung fallen würde. Spink und Trist verstießen mit ihrem Kampf gegen die Hausor d nung der Akademie. Diese besagte, dass mindestens e i ner der Streithähne von der Akademie verwiesen werden musste und dass der andere zu suspendieren, wenn nicht ebenfalls zu verweisen war. Die Hausordnung verlangte ferner, dass jeder, der Zeuge eines solchen Kampfes wurde, unverzüglich Meldung bei Sergeant Rufet zu e r statten hatte. Wenn wir dem nicht Folge leisteten, mac h ten wir uns automatisch zu Mittätern. Jeder von uns sah sich plötzlich mit einer Situation konfrontiert, in der er seine gesamte militärische Karriere aufs Spiel setzte.
    Ich erwartete, dass Trist den Kampf rasch beenden würde. Er war größer und schwerer als Spink und hatte eine größere Reichweite. Innerlich bereitete ich mich darauf vor, Spink unterliegen zu sehen, und hoffte i n ständig, dass kein Blut fließen würde. Ich glaube, wenn Trist es geschafft hätte, vom Boden hochzukommen, hä t te er kurzen Prozess mit meinem Freund gemacht. Aber zu meinem Erstaunen hatte Spink Trist fest im Griff. Trist, verblüfft darüber, zu Boden geworfen und mit dem Gesicht nach unten auf die Dielen gedrückt zu werden, wand sich wie wild und zappelte wie ein gestrandeter Fisch. »Lass mich hoch!«, brüllte er. »Steh auf und kämpf wie ein Mann!«
    Spink gab keine Antwort, sondern spreizte nur die Beine ganz weit und verstärkte seinen Griff um Trists Hals und eine seiner Schultern. Der kleinere Kadett kral l te sich wie eine Klette an seinem Gegner fest und u m klammerte seine eigenen Handgelenke, um sie um Trists Hals und Schulter zu schließen, während Trist sich unter ihm in dem vergeblichen Versuch aufbäumte, ihn abz u schütteln. Trists Stiefel knallten auf den Fußboden, und er warf zwei Stühle um, während er wild um sich keilte. Doch jedes Mal, wenn er versuchte, ein Knie anzuziehen, um auf die Beine zu kommen, trat Spink es wieder unter ihm weg. Beide waren vor Anstrengung rot angelaufen.
    Es kam nicht zu Schlägen, sah man von verzweifelten Versuchen Trists ab, sich aus der Umklammerung zu b e freien. Das Ganze erinnerte mich an den Kampf zw i schen einem Wiesel und einer Katze, den ich einmal g e sehen hatte. Trotz des Größenunterschieds hatte das Wi e sel die Katze erledigt, bevor ich eingreifen konnte. Und jetzt zwang Spink, obwohl er der Kleinere war, den Stä r keren zu Boden und erwürgte ihn halb. Dem größeren Kadetten ging allmählich die Puste aus; wir hörten ihn japsen. Da sagte Spink zum ersten Mal etwas. »Entschu l dige dich«, keuchte er, und als Trist nur einen wütenden Fluch gegen ihn ausstieß, wiederholte er, diesmal lauter: »Entschuldige dich. Nicht nur für die Tinte, sondern auch für deine Beleidigungen. Entschuldige dich, oder ich ha l te dich die ganze Nacht so hier fest.«
    »Lass ihn hoch!«, schrie Oron so schrill wie ein hyst e risches Weib. Er klang, als wäre er völlig außer sich. O f fenbar konnte er es nicht verkraften, sein Idol wie einen Fisch zappelnd am Boden liegen zu sehen. Er sprang vor, als wolle er versuchen, Spink von Trist herunterzuzerren. Ich trat dazwischen.
    »Lass sie das unter sich ausmachen, Oron«, sagte ich ruhig, aber mit fester Stimme. »Lass sie das jetzt klären, ein für allemal, sonst müssen wir uns noch das ganze Jahr damit herumärgern.« Dann blieb ich stehen, wo ich stand, um sicher zu gehen, dass er das auch tat. Einen Moment lang befürchtete ich, er würde die Hand gegen mich erheben; ich war ziemlich sicher, dass der Kampf dann auf dem Fußboden zu einer wüsten Keilerei ausa r ten würde, an der alle neun von uns beteiligt sein würden, denn Caleb war bereits vorgetreten, um Oron den Rücken zu stärken, während Nate und Kort sich hinter mir au f bauten. Rory sah aus, als wäre er völlig außer sich und bereit, sich mit jedem zu prügeln. Zum Glück wich Oron zurück.
    »Mach dir mal keine Sorgen, Oron«, sagte Caleb und warf mir einen höhnischen Blick zu. »Trist macht ihn fertig. Wetten?«
    Trist schlug daraufhin noch wütender um sich, aber Spink verteilte bloß sein Gewicht, indem er die Beine noch weiter spreizte, biss die Zähne zusammen und klammerte sich so grimmig fest wie ein Terrier, der sich in einen Bullen verbeißt. Ich sah, wie er seinen Griff um Trists Hals noch einmal verstärkte. Trists Gesicht begann blau zu werden, seine Augen traten hervor, und er

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