Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
sich das Handgelenk und starrte mich w ü tend an. Dann sagte er mit giftiger Stimme: »Fass mich nie wieder mit deinen Drecksfingern an, du Bauerntra m pel. Das werd ich mir merken! Glaub ja nicht, dass and e re nicht wissen, wie du mich erst mit dem ›Tabak‹ vergi f tet und dann ausgelacht hast. Glaub ja nicht, dass ich ke i ne Freunde habe, die mir helfen können, mich an dir zu rächen!«
Ich war bestürzt. »Damit hatte ich nichts zu tun!«, schrie ich wütend, bevor mir einfiel, dass es besser gew e sen wäre zu schweigen. Ich hatte mehr oder minder z u gegeben, dass diese Tabakgeschichte ein übler Streich gewesen war und kein Unfall.
»Es ist hier passiert«, sagte er kalt und wandte sich ab. »Es war eure Gruppe. Ihr wart alle daran beteiligt. Glaubt ja nicht, dass ich das nicht wüsste. Glaubt ja nicht, mein Vater wüsste nicht, wie ihr mich missbraucht habt. Es ist, wie die Schrift sagt, Kadett: ›Das Übel widerfährt dem Übeltäter zu seiner Zeit, denn der gütige Gott ist gerechte So, und jetzt folgt mir und seht, was Gerechtigkeit ist.«
Während er sich noch immer das schmerzende Han d gelenk rieb, stolzierte er davon. Ich zog mir schnell me i nen Wintermantel an. Spink hatte sich hastig angekleidet und wartete schon ungeduldig auf uns. Ich beeilte mich, zu Caulder und Spink aufzuschließen. Als wir die Treppe hinuntergingen, warf mir Spink einen vieldeutigen Blick zu, und ich sah, dass er ganz blass im Gesicht war. »Sol l test du ausdrücklich uns beide holen?«, fragte er Caulder und bemühte sich, seine Stimme neutral klingen zu la s sen.
Caulder erwiderte voller Verachtung: »Der fette Gord glaubte, ihr beiden wärt die Einzigen, die bei dem Wetter rausgehen würden, um ihm zu helfen, zurück ins Woh n heim zu kommen, Eigentlich keine Überraschung.«
Wir ließen seine Worte unkommentiert. Sergeant R u fet unten hob kurz den Blick, als er uns sah, sagte aber nichts. Ich fragte mich, ob er schon wusste, wohin wir gingen, oder ob er uns bloß an der langen Leine ließ, d a mit wir uns einen Strick daraus knüpfen konnten.
Wir traten hinaus in den kalten Dauerregen. Mein Mantel war noch nicht ganz getrocknet, seit ich ihn das letzte Mal angehabt hatte. Die Wolle hielt zwar die Wärme, wurde aber durch das Regenwasser mit jedem Schritt schwerer. Caulder schlug den Kragen hoch und hastete vor uns her.
Bis dahin war ich noch nicht im Krankenrevier gew e sen, weil ich dazu noch keinen Grund gehabt hatte. Es war ein hölzernes Gebäude, das abseits der Schuldgebä u de und der belebten Gehwege des Campus stand, hoch und schmal. Die Öllampen, die vor ihm brannten, tauc h ten es in ein grelles Gelb. Wir folgten Caulder auf eine Veranda, die unter unseren Schritten knarrte. Er klopfte nicht an, bevor er die Tür öffnete und uns hineinführte. Ohne seinen Hut oder sein Cape abzunehmen, ging er durch ein Vorzimmer nach links, wo ein alter Mann g e langweilt hinter seinem Schreibtisch döste. »Wir sind wegen dem Fetten hier«, sagte Caulder. Er wartete nicht auf eine Antwort des Diensthabenden, sondern durc h querte den Raum mit schnellen Schritten und öffnete eine zweite Tür. Sie führte in einen Gang, der nur ungleic h mäßig erleuchtet wurde. Er marschierte den Gang hinu n ter, blieb vor der zweiten Tür stehen, ging ohne anz u klopfen hinein, und noch ehe wir die Schwelle erreicht hatten, hörten wir ihn sagen: »Ich habe seine Freunde geholt, damit sie ihn zurück nach Haus Carneston bri n gen.«
Spink und ich drängten uns durch die Tür und betraten das kleine Zimmer. Gord war angezogen, aber seine Knöpfe waren nicht zu, und er saß mit nach vorn genei g tem Oberkörper und hängendem Kopf auf der Kante e i nes schmalen Bettes. Die Knie seiner Uniformhose waren nass und schmutzig. Er schaute nicht zu uns auf, als wir hereinkamen, aber der Mann, der an seinem Bett stand, wandte sich uns zu. »Danke, Caulder«, sagte er. »Du solltest jetzt wohl besser nach Hause gehen. Bestimmt wird deine Mutter sich schon fragen, wo du dich so spät noch herumtreibst, draußen im Regen.« Die Worte des Mannes klangen einerseits höflich, aber sie ließen auch keinen Zweifel daran, dass er keinen Widerspruch dulden würde. Ich nehme an, dass er Caulder nicht leiden konnte und mit Widerworten rechnete.
Völlig zu Recht. »Meine Mutter hat mir schon keine Vorschriften mehr gemacht, wo ich wann zu sein habe, seit ich zehn bin, Doktor Amicas. Und mein Vater …«
»… wird bestimmt sehr froh sein, dich
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