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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und nicht meinen Onkel. Mein Onkel sei schließlich kein Soldat und wisse daher nicht, wie solche Dinge beim Militär gehandhabt würden. Aber er ließ sich auch nicht darüber aus, wie ich mich denn g e nau hätte verhalten sollen, und ich h atte weder den Mut noch die Energie, die Diskussion in einem zweiten Brief fortzuführen. Ich ließ die Sache auf sich beruhen.
    Auch Spink bekam jetzt viel mehr Post als früher. Ich dachte zuerst, die Briefe kämen ebenfalls von meinem Onkel, aber dann fiel mir auf, dass er sie nie in unserer Stube öffnete, wie wir alle es taten. Die Wahrheit erfuhr ich erst, als ich ihn einmal beim Lesen eines Briefes in der Bibliothek sitzend vorfand. Kaum setzte ich mich neben ihn, wandte er sich hastig zur Seite und verdeckte die Blätter mit seinem Körper.
    Ein Teil von mir musste die Wahrheit schon vorher geahnt haben, denn ich fragte ihn sofort wie selbstve r ständlich: »Und wie geht es meiner Base diese Woche?«
    Er lachte verlegen, während er den Brief hastig z u sammenfaltete und ihn in die Innentasche seiner Jacke steckte. Er errötete. »Süß. Toll. Intelligent. Bezaubernd.«
    »Seltsam!«, warf ich dazwischen, und senkte meine Stimme gleich wieder. Ich schaute mich in der Bibliothek um. Zwei Tische weiter saß ein anderer Kadett, der in se i ne Bücher vertieft war, aber ansonsten waren wir a l lein.
    Einen Moment lang empfand ich Neid; von Carsina hatte ich seit zwei Wochen nichts mehr gehört. Ich wus s te, dass sie mir nur dann einen Brief schicken konnte, wenn sie meine Schwester besuchte, aber ich fragte mich trotzdem, ob ihr Interesse an mir womöglich schwand. Für einen bestürzenden Moment wurde mein Neid noch heftiger: Spink hatte ein Mädchen kennengelernt und von sich heraus entschieden, es zu mögen. Und sie mochte ihn ebenfalls. Als ich an Carsina dachte, kam sie mir plötzlich wie eine Art abgetragenes Kleidungsstück vor, das an mich weitergereicht wurde, weil es sich halt so gut fügte. Mochte sie mich überhaupt? Wenn wir uns zufällig über den Weg gelaufen wären, hätten wir uns dann z u einander hingezogen gefühlt? Wie viel wusste ich eigen t lich über sie? Ich merkte plötzlich, wie sehr Epinys A n sichten sich in mein Denken eingeschlichen hatten. So modern ihre Idee sein mochte, dass man sich seinen L e benspartner selbst aussuchen sollte, sie hatte nichts mit meinen eigenen Bedürfnissen zu tun. Ich war sicher, dass mein Vater eine gute Kavallafrau für mich ausgesucht hatte, eine, die treu und pflichtbewusst zu ihrem Mann stehen würde, die alle Mühen und Entbehrungen, mit denen wir zu kämpfen haben würden, tapfer Seite an Se i te mit mir auf sich nehmen würde. Was wusste Epiny denn schon von d en Anforderungen, die die Ehe mit e i nem Kavallamann an eine Frau stellte? Würde Spink di e se Kraft und diesen Rückhalt bei Epiny finden, wenn er es tatsächlich schaffen sollte, sie für sich zu gewinnen? Würden ihre Seancen und Perlenvorhänge und albernen Ideen ihr auch in einem Haus an der Grenze über die Ze i ten hinweghelfen, da ihr Mann fern von daheim auf P a trouille war? Mit diesem Gedanken schob ich meinen Neid beiseite und sagte zu Spink: »Ich wollte ohnehin schon länger mit dir über Epiny sprechen. Ich glaube, ich sollte mit meinem Onkel über ihr Interesse an Seancen und Geistern und über ihre Experimente sprechen. Zu ihrem eigenen Besten sollte er wissen, worauf sich seine Tochter da einlässt, bevor sie ihren Ruf noch vollends schädigt. Was hältst du davon?«
    Spink schüttelte den Kopf. »Das würde bloß eine Au s einandersetzung zwischen ihnen anzetteln, die, wie ich fürchte, kein gutes Ende nehmen würde. Deine Base ist eine sehr willensstarke Frau, Nevare. Ich glaube nicht, dass sie sich auf irgendetwas ›einlässt‹. Sie hat etwas gespürt, das ihr Angst macht, und weicht dennoch nicht davor zurück. Sie hat mir geschrieben, wie erschreckend beide Erlebnisse für sie gewesen seien. Doch statt zu flüchten, wappnet sie sich dagegen und stürzt sich erneut in die Schlacht, um herauszufinden, was es ist. Und weißt du, warum sie jetzt so versessen darauf ist?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ist es einer ihrer ›Wege zur Macht‹, von denen sie gesprochen hat? Eine Mö g lichkeit, unnatürlichen Einfluss auf andere zu erlangen?«
    Spink schaute so gekränkt drein, als wäre sie seine e i gene Base. Zornesfunken tanzten in seinen Augen, als er sagte: »Nein, du Idiot! Sie sagt, es sei deshalb, weil sie Angst um dich

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