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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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rung und Krankheit und Unglück war das Los des Sold a ten. Er war sich, wenn er in den Dienst eintrat, sehr wohl darüber im Klaren, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Ruhestand erlebte, eher gering war. Die Seuche erschien mir wie ein weiterer Feind, dem wir tapfer en t gegentreten mussten. Ich vertraute fest darauf, dass wir, als Volk, sie besiegen würden. Ich wusste aber auch, dass meine vorrangige Pflicht darin bestand, mich auf meinen Unterricht und meine reiterliche Ausbildung zu konze n trieren. Um Probleme wie Flachländer-Aufstände, Flec k seuchen und Gerüchte von Heuschreckenschwärmen ha t te sich mein Vater zu kümmern, nicht ich.
    In den Wochen danach ging mein Vater jeglichen Di s kussionen über die Seuche aus dem Wege, als hafte dem Thema etwas Unanständiges oder Ekelerregendes an. Damit fachte er meine Neugier natürlich nur umso mehr an. Mehrmals erzählte mir Yaril Klatschgeschichten von ihren Freundinnen, Schauermärchen von Fleck, die tote Soldaten ausgruben, um scheußliche Ritualhandlungen an den wehrlosen Leichen zu verüben. Es wurde von Kannibalismus und anderen, noch unaussprechlicheren Schändungen getuschelt. Obwohl meine Mutter es ebe n so ablehnte wie mein Vater, über das Thema zu sprechen, war Yaril genauso wild wie ich auf Geschichten über die Fleck und ihre schaurige Magie, und wir verbrachten oft ganze Abende damit, in unserem schattigen Garten zu sitzen und uns mit unseren gruseligen Spekulationen g e genseitig Angst einzujagen.
    Der Befriedigung meiner Neugier am nächsten kam ich eines Abends im Sommer, als ich heimlich mithörte, wie mein Vater und mein älterer Bruder Rosse über das Th e ma diskutierten. Ich empfand es als Kränkung, nicht dabei sein zu dürfen, ausgeschlossen zu sein aus der Welt der Männer. Ein Kundschafter war am Morgen ins Dorf geri t ten und hatte eine Ruhepause eingelegt, um den Tag mit meinem Vater zu verbringen. Ich hatte erfahren, dass er seinen Dreijahresurlaub genommen hatte und beabsichti g te, diese Zeit wohlverdienter Muße mit einer Reise in die Städte des Westens und zurück auszufüllen. Kun d schafter Vaxton kannte meinen Vater von früher, als sie zusammen im Kidona-Feldzug gedient hatten. Damals waren sie be i de junge Männer gewesen. Mein Vater war jetzt ein E d ler und aus dem Militärdienst ausgeschieden, aber der alte Kundschafter war immer noch für seinen König a k tiv.
    Kundschafter nahmen eine Sonderstellung in der K a valla des Königs ein. Sie waren Offiziere ohne offiziellen Dienstrang. Manche waren gewöhnliche Soldaten, die wegen ihrer besonderen Fähigkeiten an den normalen Diensträngen vorbei zum Kundschafter befördert worden waren. Andere, so ging das Gerücht, waren Soldatensö h ne von edler Geburt, die in Ungnade gefallen waren und einen Weg hatten finden müssen, dem gütigen Gott als Soldat zu dienen, ohne ihren Familiennamen zu benu t zen. Alles, was ich jemals über Kundschafter gehört ha t te, war von einem Hauch von Romantik und Abenteuer umweht. Uniformierte Offiziere waren gehalten, sie mit Respekt zu behandeln, und mein Vater schien Kun d schafter Vaxton auch durchaus zu schätzen und zu ac h ten, was jedoch nicht hieß, dass er ihn für einen passe n den Tischgenossen für seine Frau, seine Töchter und se i ne jüngeren Söhne gehalten hätte.
    Der in Ehren ergraute Alte faszinierte mich, und ich hatte mich danach gesehnt, seinen Geschichten zu la u schen, aber leider war nur mein älterer Bruder eingeladen worden, das Mittagsmahl mit Kundschafter Vaxton und meinem Vater einzunehmen. Am späten Nachmittag war der Kundschafter wieder seines Weges geritten, und ich hatte ihm sehnsüchtig hinterhergeschaut. Seine Kleidung war eine eigentümliche Mischung aus Kavallerieuniform und Flachländerkluft. Der Hut, den er trug, entstammte einer älteren Uniformgeneration und war mit einem leuchtend bunten Taschentuch ausstaffiert, das ihm über den Nacken hing, um ihn vor der Sonne zu schützen. Auf seine durchbohrten Ohren und tätowierten Finger hatte ich nur einen kurzen Blick erhaschen können. Ich fragte mich, ob er die Sitten und Gebräuche der Flachländer angenommen hatte, um von ihnen akzeptiert zu werden und mehr von ihren Geheimnissen zu erfahren, damit er in unruhigen Zeiten umso besser für unsere berittenen Soldaten kundschaften konnte. Ich wusste, dass er ein gemeiner Soldat war und somit wahrlich kein geeigneter Tischgenosse für meine Mutter und meine Schwestern. Dennoch hatte ich

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