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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eines Kochfeuers sowie die Löcher im Boden, die die Pflöcke seines Zeltes hinterlassen hatten, waren fast die einzigen Spuren, die von seinem Aufenthalt kündeten. Die Scheide meines alten Kavalleriedegens lag auf dem Boden, das Leder verrottete langsam in der Witterung. Von der Waffe selbst war keine Spur zu sehen. Vielleicht hatte ein zufällig des Weges kommender Wanderer sie gefunden und mitgenommen. Aber es war unwahrschei n lich, dass jemand an einem Degen vorbeikam, der in e i ner Scheide steckte, und nur den blanken Degen mi t nahm, die Scheide aber liegen ließ. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich warf die Scheide wieder auf den B o den und ging weiter. Man konnte eine Waffe nicht zu sich rufen. Nicht in meiner Welt. Ich spürte einen kurzen stechenden Schmerz in der Narbe auf meinem Kopf. Ich rieb an ihr und wandte mich dann wieder von dem Lager ab. Jetzt wollte ich nicht darüber nachdenken.
    Ich lenkte Sirloftys Schritte landeinwärts. Das Gra s land hatte sich der Jahreszeit gemäß verändert, aber ich berücksichtigte das und berechnete grob, wie lange Si r lofty mit seinem sanften, geschmeidigen, langbeinigen Galopp für die Strecke brauchen würde, die die Taldi-Stute seinerzeit in jenem wilden Galopp zurückgelegt hatte. Während der ersten zwei Tage r itt ich beständig mit gleichmäßigem, wohlbemessenem Tempo, wobei ich Sirlofty vormittags etwas stärker antrieb als nachmittags. Der Herbstregen hatte dafür gesorgt, dass die Wasserste l len zahlreicher waren als beim letzten Mal, als ich diese Gegend durchquerte. Kleine Flüsschen und Bäche wi d meten sich jetzt wieder ihrer angestammten Aufgabe, die Plateaus und Rinnen und Schluchten zu vertiefen. Ich hatte damit gerechnet, dass mir diese einsame Reise me i ne Erinnerungen zurückbringen und mir die Möglichkeit geben würde, sie zur Ruhe zu betten, aber stattdessen ließ sie mir die Ereignisse des Frühlings nur umso ferner und unbegreiflicher erscheinen.
    Schließlich fand ich die Stelle, an der Dewara jenes letzte Feuer entfacht hatte, an dem wir gemeinsam gese s sen hatten. Ich war sicher, dass es die Stelle war. Nac h dem ich am frühen Nachmittag auf sie gestoßen war, stand ich am Rande der Klippe und ließ den Blick über das Terrain schweifen. Die versengten Steine von diesem letzten Feuer waren noch da; Grasbüschel waren rings um sie gesprossen. Ich fand die verbrannten Enden des Kidona-Feuerbogens, den ich unter Dewaras Anleitung gefertigt hatte, und die lederne Schale der Schleuder, die er mir geliehen hatte. Es sah für mich so aus, als wäre alles Kidonische, das er mir gegeben oder mich hatte a n fertigen lassen, bewusst den Flammen übergeben wo r den. Darüber dachte ich eine Weile nach – wie auch da r über, dass er die Stute erschossen hatte, auf der ich geri t ten war. Bedeutete das, dass ich Kiekscha irgendwie b e schmutzt hatte, dass sich kein Kidona-Krieger mehr auf sie hätte setzen dürfen? Dewara hatte mir keine Antwo r ten hinterlassen, und ich wusste, dass die Gedanken, die ich mir selbst zusammengesponnen hatte, auf immer bl o ße Theorie bleiben würden.
    Dann riskierte ich Kopf und Kragen und kletterte die Wand der Klippe hinunter, um nach dem Eingang der Höhle zu suchen. Ich hatte noch einmal sorgfältig über alles nachgedacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es irgendwo da unten eine Höhle geben musste und einen Sims, eine Stelle, zu der wir hinuntergesprungen und in die wir hineingegangen waren, und dass ich dort unter dem Einfluss der Froschdroge zu halluzinieren b e gonnen hatte. Diese Erklärung schien mir die plausibelste von allen.
    Allerdings fand ich nichts – keinen Sims, auf dem ich bequem hätte stehen können, und erst recht keine Stelle, auf der ich nach einem Sprung hätte landen können, oder eine Höhle. Es gab keine. Ich klomm wieder nach oben, setzte mich auf den Rand der Felsenklippe und spähte hinüber zum fernen Fluss. Also war alles nur ein Traum gewesen, oder eine Halluzination, hervorgerufen durch die Dämpfe aus den Stoffen, die Dewara in dem Feuer angezündet hatte. Alles, bis in die letzte Einzelheit. Ich entfachte an der Stelle unseres alten Feuers ein neues, mit gutem Feuerstein und Stahl, und verbrachte die Nacht dort. Die ganze Nacht hindurch tat ich kein Auge zu. In meine Decke eingemummt lag ich da, starrte zum Nach t himmel hinauf und dachte über die Dinge nach, an die die Wilden glaubten, und fragte mich, ob der gütige Gott ihnen irgendwie eine andere

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