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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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henden Soldaten war, hörte ich immer gebannt zu. Mein Vater hatte das Recht, im Königlichen Rat der Herren seine Ansichten zu Gehör zu bringen, und er sandte zu diesem Zweck regelmäßig Botschaften an den Rat, in denen er seine Meinung darlegte. Er hielt es stets mit König Troven. Der alte Adel mussten den Kopf heben und des Königs neue Vision von einem Reich sehen, das sich nach Osten über die Flachlande ausdehnte statt nach Westen zum Meer hin. Der alte Adel hätten liebend gern unsere früheren Händel mit Landsang Wiederaufleben lassen, alles im Namen des Bestrebens, die Küstenpr o vinzen zurückzugewinnen, die wir an sie verloren hatten. Mein Vater war der Überzeugung, dass die Strategie des Königs der klügere Weg war. Alle seine neuen Edelleute stärkten ihm in der Frage der Ostexpansion den Rücken. Ich interessierte mich nicht sonderlich für die Einzelhe i ten dieses Streits. Er mochte zwar indirekt auch etwas mit uns zu tun haben, aber sämtliche Debatten wurden in der Hauptstadt geführt, Alt-Thares im Westen. Für mich als Soldatensohn geziemte es sich – und war überdies der einfachste Weg –, dass ich brav mit dem Kopf nickte und mir die Meinung meines Vaters zu eigen machte.
    Mehr Begeisterung lösten in mir die Nachrichten von den Ostgrenzen aus. Im Vordergrund standen hier die Geschichten von der Fleck-Seuche. Das Bewusstsein um die Seuche hatte in den Jahren, in denen ich dem Ma n nesalter entgegenwuchs, allmählich unser aller Leben durchdrungen. Doch so schrecklich die Nachrichten von den Verheerungen durch die Seuche auch waren, sie blieben Geschichten von einem Desaster, das sich fern von uns abspielte. Manchmal freilich berührten sie uns direkt, so zum Beispiel, als der alte Percy zu meinem Vater kam, um ihn um Urlaub zu bitten, damit er die Gräber seiner Söhne besuchen könne. Er war selbst So l dat, und seine beiden Söhne – beide Kavalleristen waren an der Seuche zugrunde gegangen, bevor sie ihrem Vater Stammhalter hätten zeugen können. Die Söhne seiner Tochter würden das Schuhmacherhandwerk erlernen, wie ihr Vater. Percy vertraute dies meinem Vater an, als b e reite es ihm Kummer. Sein persönlicher Verlust ließ die Verheerungen der Seuche ein Stück realer für mich we r den. Ich hatte Kifer und Rawly gekannt. Sie waren ger a de einmal vier und fünf Jahre älter als ich, und jetzt ru h ten ihre sterblichen Überreste in Gräbern nahe der Gre n ze, fern von zu Hause. Größtenteils aber blieb die Se u che, wo sie hingehörte: in den militärischen Außenposten und Siedlungen am Fuß des Barrierengebirges. In me i nem Bewusstsein war sie nicht mehr als eine der zahlre i chen Gefahren, die im Grenzland drohten, ebenso wie Schlangen und giftige Insekten und gelegentliche Übe r fälle durch die Fleck, Großkatzen und angriffslustiges Höckerwild. Das Bewusstsein um das Wüten der Seuche stieg in den heißen Sommern, wenn sie aufflammte und Menschen in großer Zahl dahinraffte, und ebbte erst wi e der ab, wenn die milderen Tage des Winters Einzug hie l ten.
    In meinem siebzehnten Sommer waren marschierende Truppen allgegenwärtig. Woche für Woche sahen wir sie auf der Uferstraße an unseren Ländereien vorüberziehen. Dies war nicht, wie früher üblich, das stete Rinnsal von frisch rekrutierten Soldaten, die sich zu ihrem ersten Ei n satz an der Grenze begaben. Dies waren stattliche, in f e ster Formation marschierende Mannschaften, Ersatz für die Männer, die während des Sommers der Seuche erl e gen waren. Im Gegenzug bewegten sich lange Beerd i gungsprozessionen, schwarz verhangene, von schwitze n den schwarzen Pferden gezogene Wagen voller Särge mit den Leichen derer, die aus Familien stammten, die reich oder edel genug waren, um verlangen zu können, dass sie zur Bestattung nach Hause gebracht wurden. Lange, d ü ster anzuschauende Trauerzüge quietschten und rumpe l ten Richtung Westen. Diese beobachteten wir aus gebü h render Distanz. Mein Vater machte nicht viel Aufhebens um sie, aber meine Mutter befürchtete, wir könnten uns anstecken, und verbat uns strikt, uns auf der Uferstraße herumzutreiben, wenn ein solcher Trauerzug sich auf ihr entlangbewegte.
    Jeden Sommer, wenn die Seuche zurückkehrte, dez i mierte sie unsere Truppen in beängstigender Zahl. Mein Vater schätzte, dass die Sterblichkeitsrate bei den weh r fähigen Männern zwischen 23 und 46 Prozent lag, vo r ausgesetzt, die Informationen, zu denen er Zugang hatte, entsprachen d er Wahrheit.

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