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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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blutigsten. Es heißt, dass jeder Angehörige des Stammes der Ternu im kampffähigen Alter dort gefallen sei. Ihre Frauen und Kinder nahmen wir natürlich auf. Wir machten sie ses s haft und lehrten sie zu lesen und Ackerbau und Vie h zucht zu treiben. Die Schlacht war hart und brutal, aber letztendlich erwies sie sich als Segen für diese Leute. Dein Vater hat genau das Richtige mit ihnen gemacht: Er hat ihnen Schafe und Saatgut gegeben und ihnen beig e bracht, an einem festen Ort zu leben.
    »Anders der Stamm der Portrens. Sie zogen es vor zu sterben, alle, ganz gleich ob Männer, Frauen oder Kinder. Wir konnten nichts tun, um sie daran zu hindern. Als klar war, dass das Blatt sich zu unseren Gunsten gewendet hatte und dass sie keine andere Wahl haben würden, als entweder das Haupt zu senken und gute Untertanen von König Troven zu werden oder sich aber hinauf in die Berge treiben zu lassen, da machten sie einfach kehrt und ritten mit ihren Pferden in den Rotfischfluss. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wir verfolgten die Portrens mit unseren Truppen und verwickelten sie immer noch in Scharmützel. Die meisten ihrer mächtigen Magier waren uns schon Tage zuvor in die Hände gefallen; sie konnten nicht viel mehr tun, als ihre Abwehrzauber schützend über sich zu halten. Wir dachten, wir könnten sie zur K a pitulation zwingen, denn wir wussten, dass sie bald den Fluss erreichen würden, der zu der Zeit wegen der Schneeschmelze in den Bergen zu einem reißenden Strom angeschwollen war. Es müssen gut zweihundert Reiter gewesen sein. Ihre Gewänder und Tücher wehten im Winde ihres wilden Ritts wie Fahnen hinter ihnen her, während sie vorwärts stoben, ihre Weiber und Kinder in ihren Ponykarren in ihrer Mitte, um sie mit ihren Leibern zu beschützen. Ich schwöre dir, wir glaubten wirklich, sie würden anhalten und sich ergeben. Aber sie ritten einfach weiter und sprengten geradewegs in den Fluss, und die Strömung riss sie mit sich fort. Und das war das Ende der Portrens. Unseretwegen hätten sie nicht dort hineinreiten müssen. Wir hätten ihnen Unterkunft geboten, wenn sie uns darum gebeten hätten. Aber stattdessen wählten sie den Tod, und wir konnten sie nicht davon abhalten. Die Männer hielten Wache am Ufer, bis alle Kinder und Frauen von der Strömung fortgerissen worden waren. Dann folgten sie ihnen in die Fluten. Es war nicht unsere Schuld. Trotzdem hängten viele unserer Leute nach di e ser Schlacht ihre Sporen und ihren Sattel an den Nagel. Sie hatten allen Mut und alle Lust verloren, nicht nur aufs Kämpfen, sondern auf das Kavallaleben überhaupt. Im Krieg, so hatten sie gelernt, ging es um Ruhm und Ehre, und nicht darum, hilflos Frauen und Säuglingen beim Ertrinken zuschauen zu müssen.«
    »Es muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein«, sagte ich zaghaft.
    »Sie haben es so gewollt«, erwiderte Sergeant Duril. Er lehnte sich gegen seine Bettrolle und klopfte die Asche aus seiner Pfeife. »Ein paar, d ie neben mir ritten, wären beinahe verrückt geworden. Nicht in diesem M o ment freilich: Da saßen wir einfach auf unseren Pferden und schauten zu, was sie machten; wir begriffen noch gar nicht richtig, dass sie den Tod für sich gewählt hatten, dass sie wussten, dass sie es nicht auf die andere Seite schaffen würden. Wir dachten immer noch, es stecke i r gendein Trick dahinter, es gäbe da vielleicht eine ve r steckte Furt, die sie kannten, oder sie verfügten über eine bestimmte Magie, die sie retten würde. Aber dem war nicht so. Erst als alles vorbei war, wurde uns die Ung e heuerlichkeit dessen bewusst, was sich da vor unseren Augen abgespielt hatte. Einige meiner Kameraden mac h ten sich schreckliche Vorwürfe; sie waren überzeugt, wir hätten sie in den Fluss getrieben. Aber ich schwöre dir, es war nicht so. Ich kam für mich zu der Entscheidung, dass ich einem freien Volk dabei zugeschaut hatte, wie es se i ne Wahl traf, wahrscheinliche eine, über die es schon vorher gesprochen hatte, bevor es vor sie gestellt worden war. Hätten wir richtiger gehandelt, wenn wir versucht hätten, die Portrens aufzuhalten und darauf zu bestehen, dass sie ihr Nomadenleben aufgaben? Ich bin mir da nicht sicher. Ich bin mir da ganz und gar nicht sicher.«
    »Nur ein Flachländer kann nachempfinden, wie ein Flachländer denkt«, sagte ich. Es war ein Zitat meines Vaters.
    Sergeant Duril stopfte seine Pfeife neu und ließ mich erst einmal auf eine Antwort warten. Schließlich sagte er leise:

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