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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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»Manchmal denke ich, das Kavallaleben macht einen Flachländer aus dem, der es führt. Vielleicht waren wir auf dem besten Wege, sie vor ihrem Ende zu verst e hen, sie nur zu gut zu verstehen. Über das Flachland zu reiten, das hat etwas Schönes, Wunderbares: dieses G e fühl von Freiheit, dieses Gefühl zu wissen, dass, wenn du in Not gerätst, du und dein Pferd alles finden könnt, was man zum Überleben braucht. Manche Leute sagen, sie können nicht verstehen, warum die Flachländer niemals sesshaft geworden sind und sich das Land urbar gemacht haben, warum sie nie ihre eigenen Städte und Höfe e r richtet haben. Aber wenn du einen Flachländer fragst, und ich habe mehr als nur ein paar gefragt, werden sie dir alle die gleiche Gegenfrage stellen: ›Warum sollten wir? Warum sollten wir unser Leben an ein und demselben Ort verbringen, jeden Tag denselben Horizont sehen, j e de Nacht an derselben Stelle schlafen? Warum sollten wir arbeiten, um dem Land das an Nahrung abzuringen, was ohnedies schon dort draußen wächst und nur noch darauf wartet, gefunden zu werden?‹ Sie h alten uns für verrückt, mit unseren Obst- und Gemüsegärten, unseren Schaf- und Rinderherden. Sie verstehen uns genauso w e nig, wie wir sie verstehen.« Er tat einen lauten Rülpser und fuhr fort: »Entschuldigung. Natürlich sind nicht mehr viele Flachländer übriggeblieben, denen wir Ve r ständnis entgegenbringen könnten. Sie sind sesshaft g e worden, gemäß den Kapitulationsbedingungen. Sie haben jetzt Schulen und kleine Läden und Reihenhäuser. In e i ner oder zwei Generationen werden sie genau wie wir sein.«
    »Ich bedaure, dass ich sie nicht mehr erlebt habe«, sagte ich aufrichtig. »Ein- oder zweimal habe ich meinen Vater davon erzählen hören, wie es war, eines ihrer L a ger zu besuchen, damals, als er noch Streife ritt und sie manchmal bis dicht an die Grenze kamen, um Handel zu treiben. Er sagte, sie seien schön gewesen, schlank und flink, die Pferde wie die Menschen. Er erzählte davon, wie die Flachländerstämme manchmal zusammenkamen, um sich in Reiterwettkämpfen zu messen, mit den Töc h tern der Stammesführer als Siegestrophäe. Er sagte, auf diese Weise hätten sie ihre Bündnisse geschlossen … Glauben Sie wirklich, diese Zeiten sind vorbei?«
    Er nickte bedächtig. Rauch kräuselte sich zwischen seinen halb geöffneten Lippen hervor. Eine Zeitlang hielt die menschliche Stille an, Schweigen genannt, aber die Prärie sprach zwischen uns, eine flüsternde, wilde Sti m me, eine Stimme voll mit leisem Wind und raschelndem Blattwerk und kleinen Geschöpfen, die nur in der Nacht aktiv waren. Entspannt gab ich mich den vertrauten G e räuschen hin und fühlte, wie sie mich dem Schlaf näher brachten.
    »Sie sind vorbei«, bekräftigte er traurig. »Nicht nur für sie, sondern auch für uns Soldaten. Ein für allemal vo r bei. Wir haben die Veränderung selbst in Gang gebracht; wir haben das, was seit Jahrhunderten existierte, hinwe g gefegt. Und jetzt … nun, jetzt fürchte ich, dass wir bloß die waren, die sozusagen die Spitze des Ansturms bild e ten. Dass wir zusammen mit denen untergehen, die wir besiegt haben, und niedergetrampelt werden von denen, die uns folgen. Wenn die Flachländer erst allesamt u n terworfen und gezähmt sind, wozu braucht man dann noch einen alten Soldaten wie mich? Veränderungen und noch mehr Veränderungen …« Er verstummte, und ich hütete mich, seinen Worten noch weitere hinzuzufügen. Seine Gedanken hatten meine Nacht mit einer Kälte e r füllt, die vorher nicht da gewesen war.
    Als der Sergeant erneut das Wort ergriff, hatte er das Thema ein Stück beiseite geschoben, wie jemand, der seine Sitzposition ein wenig verlagert, um einen altve r trauten Schmerz zu meiden. »Sirlofty, der hat Flachlan d blut. Wir haben bald gemerkt, dass wir, wenn wir gegen berittene Flachländer bestehen wollten, Pferde brauchten, die ihren ebenbürtig waren. Keslans sind wunderbare Pferde für ein Kutschengespann, und keiner kann einem Shir das Wasser reichen, wenn es darum geht, einen Pflug zu ziehen. Aber die Reitpferde, die du im Westen in den Städten findest, wurden dazu gezüchtet, einen Händler von Ort zu Ort zu tragen. Es sind Geschöpfe, denen du deine zierliche Tochter anvertrauen könntest, wenn sie mit ihren Freundinnen einen Spazierritt machen möchte. Das war nicht das, was wir für die Eroberung der Graslande brauchten. Wir brauchten großgewachsene, schlanke Pferde mit Beinen aus

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